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"Mehr als Biedermeier": Zur Neuaufstellung der Sammlung Klassizismus,Romantik, Realismus im Wiener Belvedere. von

Einige Besucher halten vergeblich nach den abgehängten Klimt-Bildern Ausschau. Touristen bewundern den den renovierten Marmorsaal. Ansonsten geht es im Oberen Belvedere ruhig zu. Tausende haben sich in den Wochen davor von Adele I und II und den Landschaftsbildern Klimts verabschiedet. Offensichtlich erkennt man erst, welch kostbare Kunstschätze es in Österreich zu sehen gibt, wenn sie im Begriff sind, das Land zu verlassen. Dabei könnte man im Oberen Belvedere viel Zeit damit verbringen, sich das eine oder andere Bild detaillierter anzuschauen.

Gerade jetzt, wo die Bestände der Sammlung Klassizismus, Romantik und früher Realismus neu präsentiert werden, kommt so manch bekanntes Gemälde erst richtig zur Geltung. Anlass für die Neuzusammenstellung war die Jubiläumsausstellung im vergangenen Jahr. Da mussten die Bilder aus der Zeit von 1770 bis 1860 abgehängt werden. Kuratorin Sabine Grabner nutzte die Gelegenheit, um sie unkonventioneller als bisher zu gruppieren. Herausgekommen ist ein assoziatives, zeitgemäßes Hängungskonzept, bei dem der Gedanke bestimmend war, dass die "Schubladisierung" von Kunst - in Biedermeier, Romantik und Realismus - eine nachträgliche Konstruktion ist und dass ein Bild einer Epoche bereits Elemente einer andern enthalten kann. Die Widersprüche einer Zeitspanne kommen genauso zum Vorschein wie die Brüche im Werk eines Künstlers. So kann der Titel der Neuaufstellung "Mehr als Biedermeier" leitmotivisch verstanden werden. Erfrischend dabei ist, dass hier wieder das Bild an sich und die Lust am Schauen im Vordergrund stehen. Ein Konzept, das das Liechtenstein Museum erfolgreich praktiziert.

Überraschende (Ein-)Blicke

Nicht mehr streng nach Schulen oder Gattungen getrennt, werden die 130 Werke - darunter allein 23 Bilder des Biedermeier-Stars Ferdinand Georg Waldmüller - präsentiert. Vielmehr ist es Sabine Grabner gelungen, durch unerwartete Gegenüberstellungen und Durchmischung verschiedener Themenbereiche, den Besucher zu eigenen Überlegungen zu motivieren. So lässt sich in einem Saal, in dem auch eines der bedeutendsten Historienbilder des Wiener Klassizismus ("Der Tod des Germanicus" von Friedrich Heinrich Füger) zu sehen ist, die Entwicklung der Porträtmalerei von den Ausläufern des Barock bis zum Beginn des Biedermeiers nachvollziehen.

Spannend erweist sich auch die Konfrontation ganz unterschiedlicher Bilder zu religiösen Themen. Während auf der einen Wand "Die tote heilige Caecilie" von Johann Evangelist Scheffer von Leonhardshoff die österreichische Nazarener-Malerei vertritt, zeigt gegenüber Josef Danhausers großformatiges Gemälde "Abraham verstößt Hagar" die genrehafte Auslegung eines religiösen Themas. Das Bild ist nicht nur wegen der ungewöhnlichen Interpretation einer biblischen Erzählung als lebendige Alltagsbegebenheit sehenswert, sondern auch, weil es seit Jahren erstmals wieder ausgestellt wird.

Wahre Highlights finden sich im Raum mit den Salon-Darstellungen. Hier überrascht Josef Danhausers "Die Schachpartie" aufgrund des für die Zeit unüblichen "emanzipatorischen" Themas. Das Bild zeigt den Sieg einer Frau über den Mann beim Schachspiel. Das gegenüberliegende Gruppenporträt der "Familie Arthaber" von Friedrich von Amerling wirkt nicht minder wegweisend. Hier hat Amerling einen liebevollen, offensichtlich allein erziehenden Vater mit seinen drei Kindern beim Betrachten eines Bildes der verstorbenen Frau und Mutter dargestellt.

Die Konfrontation österreichischer Stillleben von Josef Nigg und Ferdinand Georg Waldmüller mit einem Blumenstrauß von Eugène Delacroix spiegelt die unterschiedliche Kunstauffassung zweier Länder. Während man in Wien auf die detailgetreue Wiedergabe der Blumen bedacht war, ging es den Franzosen mehr um die lockere, farbintensive Skizzierung des Gesehenen.

Wenn eine Präsentation zu solchen Vergleichen anregt, dann lohnt es sich, die ständigen Sammlungen von Zeit zu Zeit zu besuchen.

Oberes Belvedere

Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr, Montag geschlossen, www.belvedere.at

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