Zu einer Zeit, in der die meisten Menschen erst Urlaubspläne wälzen,’ beginnt im Rundfunk 6thon die Sommerzeit. So brachten die die letzten Wochen schon einen Vorgeschmack, unterbrochen durch einzelne Wiedergaben von Ereignissen der . Wiener . Festwochen — wobei es seltsamerweise auch blieb: weder Radio Wien noch Studio Wien des Senders Rot-Weiß-Rot beteiligten sich mit eigenen Produktionen an den Festwochen.
Wirklich bemerkenswert war Raimund Bergers „Ballade vom nackten Mann“ (Rot-Weiß-Roi), ein überrealistisches Hörspiel um die Armut des Menschen, nicht neu in Thema und Forderung, aber sehr einprägsam, lebendig, ja faszinierend, wozu die ausgezeichnete Regie Walter Davys beitrug. Die Ravag brachte zum 40. Todestag August Strindbergs das Märchenspiel .Schwanenweiß“ in einer sehr zarten und feinnuancierten Aufrührung, e6 ist verwunderlich, daß der Rundfunk diesen Dichter noch nicht für sich entdeckt hat. Der gleiche Sender brachte „Der Horla’ von Anny Tichy nach Maupassant, die Geschichte eines jungen Mannes, der sich von einem Geist verfolgt fühlt und wahnsinnig wird, einem Geist in dem. eigenes Ungenügen, Weltangs? und Gottesfurcht zusammenfließen — eine packende Aufführung. Rot- Weiß-Röt Salzburg brächte Jean Giraudoux’ tragische Komödie „Der trojanische Krieg findet nicht statt1’, in der Kleinlichkeit und Eitelkeit über Vernunft und echten Patriotismus siegen; leider blieb die Aufführung dieses für den Rundfunk schwierigen Stückes banal, ohne Spannung und Atmosphäre.
Die monatliche’ Sendung der Ravag „Kostbare Dichtung“ bewältigte das heikle Thema „Muttertag“ ausgezeichnet, gute Beiträge waren mit Verständnis und Empfinden ausgewählt.
Auf dem heiteren Sektor verdient nur die „Hamlct’-Parodie (Rot-Weiß-Rot) von Fred Silverius und Rudy von der Heyde erwähnt zu werden, die schmissig, originell und witzig aus dem Tragödienstoff einen österreichischen Film machte.
