Die Krallen der Falken

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Ernst Brauner verbindet in seinem Roman Zeitkritik und Altmännerphantasien.

Ein Buch schreiben, aber worüber? Über die Unsterblichkeit einer Handvoll Auserwählter vielleicht, von denen man bei Jonathan Swift gelesen hat? Gute Idee, dann sieht jeder Leser, wie gelehrt der Autor ist! Oder doch über die nahe Zukunft eines totalitären Österreichs, wo den Alten der Garaus gemacht wird, weil sie der Gesellschaft zur Last fallen? Großartig, so lässt sich Zeitkritik beißend in Fiktion verwandeln! Oder will der Roman doch eher auf eine Inzestgeschichte hinaus mit all den ernüchternden Folgen für einen, der sich den Sünden in seiner Familiengeschichte stellen muss? Auch nicht übel, dann kann man Zeitgeschichte als Sittengeschichte mit all ihren Auswirkungen auf ein Individuum erzählen.

Am besten alles zusammen, und auch eine Liebesgeschichte muss ins Buch. Altmännerphantasien räkeln sich aufdringlich und vermengen sich mit semiphilosophischem Quatsch. Ein Achtzigjähriger kommt über "diese nachgebende Brust, diese(n) schlaffe(n) Bauch" ins Grübeln, und kommt zum Schluss: "Warum sollte ein Herbsttag weniger schön sein als einer im Frühling?" Und weil das noch etwas zu dünn wäre für einen, der ohne Pathos nicht leben mag, wird die Liebe des Alten zu einer wesentlich jüngeren Frau überhöht als eine Variation des Cimon und Pero-Mythos, wonach ein Philosoph von seiner Tochter vorm Hungertod bewahrt wurde, indem sie ihn säugte. Das alles drängt in den Roman, dem der kleine Nachteil anzulasten ist, dass er fahrlässig mit der Sprache verfährt. "Immer mehr ließen sehen, dass unter den sanften Flügeln der Tauben die Krallen der Falken parkten", heißt es einmal. An anderer Stelle steht geschrieben: "Oder war es Charon selbst, der sie lotste durch ein ungeheuerliches Höhlensystem, das nicht erraten ließ, ob es Gehirn war oder Gedärm?"

Viele Einfälle

Der Autor, Jahrgang 1928, umtriebig auf den Feldern des Theaters, des Films, des Journalismus und der Literatur, kann leider nicht erzählen. Er ist so hingerissen von seinen Einfällen, dass er sich um die Form nicht weiter schert. Verschiedene Teile, die nicht zusammenpassen, flattern im Raum und warten vergeblich auf einen Autor, der sie zu einer sinnvollen Einheit fügt. Warum muss die Hauptfigur Hermann unsterblich sein? Es gibt keine dramaturgische Notwendigkeit dafür. Vielleicht nur deshalb, um anderen alten Männern wie Kardinal König oder Ernst Jünger, die ebenso Unsterbliche sind, einen Auftritt in einem Roman zu verschaffen, der im zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends spielt.

Struldbrugs

Roman von Ernst Brauner

Wieser Verlag, Klagenfurt 2008

256 Seiten, geb., € 21,-

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