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Ein groftatiger Mann

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Wilhelm Heinrich Riehl. Leben und Wirken (1823-1897). Von Viktor von Getarnt). Otto-Müller- Verlag, Salzburg. 4. bis 7. Lieferung (Schluß). 687 Seiten, 33 Kunstdruck- und Textbilder. Preis je Lieferung 26.40 S

Mit der 7. Lieferung (vgl. die Besprechung der 1. bis 3. Lieferung in der „Furche“ vom 2. April 1955) hat Viktor v. Geramb die stattliche Biographie des großen Kulturhistorikers und Volksforschers — er starb am 16. November 1897 — abgeschlossen. Auch bei dieser Biographie gelten die Worte: Habent fata sua libelli. In seiner Studienzeit an der Grazer Universität erhielt v. Geramb durch seinen Freund Hof rat und' Archivdirektor Dr. Max Döblinger (damals 1909 in Graz, jetzt in Aschach an der Donau) Riehls „Land und Leute“ in die Hand. Seitdem hat es ihm Riehl angetan. „Ohne eine Ahnung zu haben, was mir da beschieden wurde, schlug ich das Buch auf und begann zu lesen. Ich fühlte mich gefesselt wie kaum jemals vorher. Buchstäblich war es mir, als ob eine feste, väterlich treue Hand mit unendlicher Wärme und Liebe die meine ergriffe Willenlos, wie ein seliges Kind, das der Großvater zum erstenmal in den Wald führt, ließ ich die Hand nicht mehr los, ließ mich führen, weiter und weiter und ruhte nicht, bis ich alles gelesen hatte, was Riehl geschrieben hat. Eine ganze Welt ging mir auf. .. ich hatte meinen Führer, meinen Lehrer gefunden!“ (S. 534). Mit großer Wärme und Liebe ist unser Nestor der Volkskunde in mehr als vierzig Jahren insbesondere dem Fortwirken Riehls nachgegangen, dessen „Weisheit eines reichen und erfüllten Lebens“ (S. 526) der Verfasser packend aufzuzeigen versteht, indem er ihn des öfteren selbst zu Worte kommen läßt, so daß aus den kostbaren Mosaiksteinen geradezu eine wahrhaft künstlerische „Selbstbiographie“ entstehen konnte. Was v. Geramb von „Riehls Vermächtnis für die Gegenwart und Zukunft“ (S. 595 f.) Schreibt, gehört mit zum Schönsten, was unserer Jugend fürs Leben mitgegeben werden kann: /.Unser ganzes Denken ist von religiösen Vorstellungen dürchwoben, die zum Glauben drängen und welche auch durch die schärfste und einseitigste Verstandesbildung in keinem Menschen auszurotten sind“ (S. 493 u. 598). Riehl hat als „ein ganzer Mann“ und „evangelischer Christ“ mehr und eindringlicher durch seine Werke und Vorlesungen gepredigt, als „er es von der Kanzel gekonnt hätte“ (S. 518). Schon als junger Journalist hat Riehl gegen jegliche unsaubere „Agitation von Parteien und Doktrinen“ gepredigt, insbesondere gegen jene „Wühler und Heuler, die immer da in der vordersten Reihe stehen, wo es gilt, Lichter auszulöschen und Feuer anzuzünden“. Mit Recht Zählt v. Geramb Riehl zu den Großen unseres Volkes, die niemals „Lichter ausgelöscht“, wohl aber manches „Feuer ausgetreten und manche Lichter angezündet“ haben. Die Wissenschaft wird v. Geramb gebührenden Dank zu schulden wissen, dem leider allzufrüh heimgegangenen idealen Verleger Otto Müller, dem Retter dieses Buches, sei ein herzinniges „DeUs retribuat“ gesagt.

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