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Goliath gegen David

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Je schneller wir Ressourcen verbrauchen und verschwenden, desto ungeduldiger drängen Industrie und Bauwirtschaft in die letzten „freien” Ökosysteme, um auch sie auszupressen. Und desto härter gehen sie gegen Verteidiger der Umwelt vor: Auf 6,3 Millionen Schilling klagte die OKA Global 2000. Nicht wegen etwaiger Sachbeschädigungen in der Auseinandersetzung um das umstrittene Flußkraftwerk Lambach, sondern weil sie zu Protest und Widerstand aufgerufen hatten. Die Verurteilung der Umweltschützer würde eine Knebelung der Meinungsfreiheit einläuten, Proteste gegen unsinnige Zerstörung unmöglich machen. Die Summe von 6,3 Millionen, die sich mit den Verfahrens-kosten auf neun erhöhen würde, bedeutet das finanzielle Aus der Umweltorganisation.

Auf 600.000 Schilling verklagte die HLAG (Hochleistungsstrecken AG) den unermüdlichen und bewundernswerten Sprecher der Alli-ance for Nature, die seit Jahren gegen den Bau des Semmeringtun-nels ankämpft. Christian Schuh-böck ist der HLAG ein besonderer Dorn im Auge: Als Diplomingenieur äußerst sachkundig, studiert er jedes Gutachten, verfolgt jede Bohrung und weist nach, daß 8,6 Millionen Liter Quellwassers mit dem Tunnel täglich abdrainagiert würden, Feuchtgebiete austrockneten, drei Millionen Kubikmeter Gesteinsmaterial aus dem Bergmassiv gebrochen würde und das Projekt unseren Kindern und Kindeskindern einen gewaltigen Schuldenberg hinterließe.

Will man bei uns Umwelt-Schützer offensichtlich durch finanziellen Ruin in die Knie zwingen, werden in der Dritten Welt ganze Völker ausgerottet, wenn sie sich den Plünderern ihrer Ressourcen entgegenstellen. So wurde unter anderen Chico Mendes, der Sprecher der brasilianischen Gummisammler, ermordet, weil er den Regenwald im Amazonas verteidigte. In Sibirien zerstören südkoreanische Firmen die Lebensbasis des Udege-volkes. Der brutalste Krieg Goliaths gegen David spielt sich in Ni-gerien ab, in dessen Verlauf im November '95 der Schriftsteller, Menschenrechts- und Umweltaktivist, Ken Saro-Wiwa, mit acht anderen Vertretern^eines Ogonivolkes trotz weltweiter Proteste von der Militärjunta hingerichtet wurde.

Er hatte verlangt, daß der Ölgi-gant Shell die von ihm verursachten Ölverseuchungen und Giftmülldeponien säubern möge. Die Vereinten Nationen anerkennen Ogoniland als das gefährdetste Flußdelta der Welt. Schon 1993 hatte Shell von den Militärs Unterstützung gegen die Ogoni gefordert: 27 Dörfer wurden zerstört, 2.000 Ogoni ermordet, Zehntausende vertrieben. Ken Saro-Wiwa vor seiner Exekution: „Herr, nimm meine Seele zu Dir. Doch der Kampf geht weiter.” David ist die Hoffnung der Bedrängten. Nach ihm wurde ein Stern benannt. Nach Goliath nichts.

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