7121171-1996_37_19.jpg
Digital In Arbeit

Im Banne der Familienbande

Werbung
Werbung
Werbung

Rußland der Jahrhundertwende: Man findet sich ein im Haus der Familie Bessemjo-now. „Kleinbürger" nannte Maxim Gorki sein erstes Stück. Der Konflikt der Generationen steht im Mittelpunkt. Doch es wäre nicht das Stück eines der literarischen Wegbereiter des Sozialismus, käme nicht auch die aufkeimende Revolution ins Gespräch.

Gorki wrählte die muffige Enge eines kleinbürgerlichen Hauses als Schauplatz für sein Familiendrama. Zwei Parteien krachen immer wieder aufeinander, die Bewrahrer, jene die an den neuen Zeiten nichts Gutes finden können und die jugendlichen Stürmer, jene die voller Hoffnung einer Zukunft entgegenblicken. Dazwischen stehen die Kinder, werden zerrieben. Sie haben studiert, können mit der elterlichen Lebensweise nichts mehr anfangen, weder wrollen sie Partei gegen ihre Eltern ergreifen noch können sie sich auflehnen, obwohl sie es dauernd versuchen.

Was Dietmar Pflegerl, Intendant des Klagenfurter Stadttheaters, aus Gorkis erstem Stück gemacht hat, verdient in der Tat Beifall. Den aufkeimenden Sozialismus hält er dezent im Hintergrund. Er stützt sich auf das Familiendrama. Und dies verleiht Gorki auch heute noch seine Brisanz.

Bestens hat Pflegerl sein Ensemble zusammengestellt. Sieghardt Bupp mimt den Vater. Als klassischer Haustyrann mit bürgermeisterlichen Ambitionen ist er verletzend, wo er nur das Wort ergreift und ist doch ständig selbst der angegriffene. Rupp gibt diese jämmerliche Gestalt eines alten Antisemiten, der sich gerne in der Rolle des scheinbar schönen Reden schwingenden Patrons sieht, der aber stets die Posen wechselt, um vom salbungsvollen Verteidiger der Moral in die Gestalt des geifernden Polterers umzuschwenken. Seine Frau (Christine Ostermayer) duckt sich in den Part der alles erduldenen Hausmutter, der jeder Anspruch auf Persönlichkeit abgesprochen ist.

Bessemjonows Welt geht in die Brüche, als das arme Mädchen Polja (Sabine Grabis) seinen Ziehsohn Nil (Fritz Karl) heiratet, sein Sohn Pjotr (Alexander Lutz) mit der Mieterin Je-lena (Mercedes Echerer) aus der Enge des Hauses aufbricht und seine Tochter Tatjana sich mit Salmiak vergiften will. Bessemjonow kann der neuen Zeit nur mit Resignation entgegenblicken, seine Tochter flüchtet in den AVahnsinn.

Der Theaterabend dauert fast drei Stunden und erscheint dennoch nicht zu lang, selbst, wenn eine dramaturgische Bürstung Gorki mehr genützt als geschadet hätte, schaffte es Pflegerl die Langeweile, an der die Figuren leiden, nicht ins Publikum übergreifen zu lassen. Dafür sorgt nicht zu -letzt Mercedes Echerer als erfrischende Mieterin im Hause Bessemjonow.

Auch die Kostgänger, zum einen Teterew der Kirchensänger (Wolfgang Böck) und Poljas Aater, Pert-schichin der Aogelhändler (Harald Harth), haben ihren Anteil an dieser sehenswerten Inszenierung.

Bedrückende Szenen aus einem bürgerlichen Familienleben werden bis ins kleinste Detail vorgeführt. A?er-klemmtheit wrird zur Beklemmung. Den Figuren bleibt fast nichts erspart. Unzerreißbar erscheinen die Bande der Familie. Kleinbüger bleiben eben Kleinbürger. „Wer sich in Familie begibt, kommt darin um", heißt es bei Heimito von Doderer, und wer Gorkis Stück in der Inszenierung von Dietmar Pflegerl gesehen hat, weiß warum. Eine beachtliche Leistung des Begisseurs und des Ensembles.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung