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Kanadas Neger

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W3-244, ein attraktives Eskimomädel aus den Nordwestterritorien, kündigt an, daß sie nackt im Parlament erscheinen werde — wenn sie nicht ein Stipendium für das Und- versitätsstudium erhalte. Mary Carpenter (Kanadas Eskimos haben eine Nummer und einen Namen) berichtet dies auch Ottawas Reportern und Pressephotographen. Bald darauf erhält sie in der Tat das ersehnte Stipendium von 1500 Dollar. Heute studiert W3-244 Journalistik an der University of Western Ontario.

Leider haben nicht alle Berichte über Eskimos ein Happy-End. In Torontos „Telegram“, Kanadas größter konservativer Zeitung, berichtet ein Reporter: „Ich bin 22 Jahre alt. Ware ich als Eskimo geboren worden, würde ich heute wahrscheinlich nicht mehr unter den Lebenden weilen.“ Diese Ureinwohner 4es zweitgrößten Landes der

Erde — so Dr. Alexander Bryson von der Queens University — erreichen ein Durchschnittsalter von nur 22 Jahren.

„Die Rohfleischesser“

Die Mehrzahl der 12.000 kanadischen Eskimos — den Namen Eskimo gaben ihnen die Indianer, in deren Sprache das Wort „Rohfleischesser“ bedeutet — lebt in den dünnbesiedelten, riesigen Nordwestterritorien (Bevölkerung: 30.000). Heute klagen Kanadas Eskimos die „Blaßgesichter“ an, sie ebenso schlecht zu behandeln wie die Weißen der Südstaaten der USA die Neger. Ironischerweise verstärken sich diese Beschuldigungen gerade in dem Augenblick, da die kanadische Post eine 5-Cents-Marke (Auflage: 218,600.000) herausgibt, die eine Eskimofamilie zeigt. Die Marke ist die Reproduktion der Schöpfung eines . unbekannten Eskimoschnit zers, dem dafür ein Lohn versagt bleibt.

Kanadas Eskimos sind verbittert, weil sie bei der Ausbeutung der Ölvorkommen der Arktis keine Beschäftigung finden. Bei der Gewinnung des Öls von Melville Island werden Arbeiter aus den südlichen Gebieten eingeflogen. Niemand weiß oder kümmert sich darum, daß die Eskimos Arbeitsplätze suchen. Andere Beschwerden zielen darauf, daß das Ministerium für Nördliche Affären junge Beamte einfliege, die den Eskimos sagen, wie sie ihr Leben gestalten sollen. Doch Ottawa — so ihre Behauptung — versteht nichts von der Administration der Arktis und betrachtet sie als eine Art Neger des hohen Nordens.

Ein Stück vom Kuchen

Die Änderung ihrer Lebensweise begann mit dem Kommen des weißen Mannes. Den Forschern folg ten Walfänger. Dann kamen die Missionäre und daraufhin Abenteuerlustige. Die Eskimos glaubten mit allen ohne jede Feindschaft leben zu können. Der Sprung von der Steinzeit in das 20. Jahrhundert schien ihnen geglückt zu sein. Heute aber, da die Erde — in den Worten des kanadischen Professors McLuhan — zu einem „Weltdarf“ geworden ist, wallen auch diese Ureinwohner der Arktis mehr von ihrem Dasein haben.

Kanadas Eskimos wollen sich nicht länger damit abfinden, daß ihre durchschnittliche Lebensdauer auch heute noch nur 22 Jahre beträgt. Und die kanadische Öffentlichkeit, nun darüber alarmiert, horcht auf und forscht:

Müssen Kanadas Eskimos so jung sterben?

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