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Der Indianer und der Eskimo

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Wie Kanada zu dieser riesigen Schatzkammer kam, ist eine sehr ungewöhnliche Geschichte. Erst das Drängen der britischen Regierung — und die Möglichkeit einer Besitzergreifung durch die Vereinigten Staaten — veranlaßten das kanadische Parlament, mit Gesetzbeschluß vom Mai 1870 die Oberhoheit über das Gebiet zu übernehmen.

Bis vor kurzem war Aklavik das „Herz der kanadischen Arktis“. Es war der Ort, von dem Indianer und Eskimos träumten, wenn sie viele Felle erbeutet hatten und es sich gut gehen lassen wollten. Es war ein malerischer Ort der bizarren Kontraste. Vereiste hier die Wasserleitung, schmolz man Eis mittels Eis. Die ersten 300 Fuß der Röhren befanden sich in einem Graben mit Moos, das mit Benzin getränkt war. Wurde das Moos angezündet, schmolz das Eis, und das heiße Wasser ließ das Naß wieder fließen ...

Typisch für Aklavik war das „Journal“, Kanadas nördlichste Zeitung, deren Leser meistens Trapper, Eskimos, Indianer und Beamte der Royal Canadian Mounted Police waren. In dem „Journal“ fand man Notizen, wie:

„Eddie Gruben traf nach einer Fahrzeit von acht Stunden mit seinem Snowmobile und fünf Passagieren hier ein. Eddie ist der erste Eskimo, der ein solches Fahrzeug besitzt. Ein Kredit von 3700 Dollar ermöglichte ihm den Ankauf. Er wird das Darlehen mit Fuchsfellen zurückzahlen.“

Da aber Aklavik Gefahr lief, in nicht zu ferner Zeit in den Fluten des Mackenzie River zu versinken, beschloß die Regierung, das administrative Zentrum der kanadischen Arktis nach Inuvik zu verlegen. 43,000.000 Dollar wurden in den Ort (Bevölkerung: 1490) investiert. Rundfunksender, Schulen und ein Spital befinden sich hier. „Es ist hoch an der Zeit, daß wir unserer Arktis mehr Aufmerksamkeit zuwenden“, erklärte der damalige Ministerpräsident Diefenbaker bei der offiziellen „Gründungsfeier“ von Inuvik. Ein Drittel der Bevölkerung Inuviks sind auch heute noch Staatsangestellte mit ihren Familien, wird doch von hier aus ein riesiges Gebiet verwaltet.

Da die Erdschätze des kanadischen Nordens nur zu einem geringen Teil ausgebeutet werden, muß der Staat das Gebiet mit etwa 50,000.000 Dollar im Jahr unterstützen. Etwa ein Viertel der Eskimobevölkerung von 12.000 ist auf staatliche Unterstützung angewiesen. Seltsamerweise besteht zwischen den Eskimos und den Indianern eine bedeutende Animosität. Das führt — wenn Wildwestfilme gezeigt werden — dazu, daß die Eskimos den Cowboys und nicht den Rothäuten zujubeln ...

Da 700.000 Quadratmeilen der Northwest Territorien die gleiche Felsbildung (Pre-Cambrian rock) wie große Gebiete Ontarios haben, in welchen Erdschätze im Werte von etwa einer Billion Dollar im Jahre gewonnen werden, bestehen keine Zweifel, daß sich hier die „Große Schatzkammer“ des riesigen Landes befindet.

Hier allerdings hat die „Zukunft noch nicht begonnen.“ Immer noch sind riesige Gebiete unbewohnt. Originell und typisch ist die Notiz, die sich — hübsch eingerahmt — im Speisesaal der Royal Canadian Air Force bei der Resolute Bay (dem nördlichsten Stützpunkt) befindet: „Willkommen im Resolute Bay Hotel. Angemessene Preise. (Für Damen gratis). Wir begrüßen Sie im Herzen von Kanadas Nordland — umgeben von Meilen und Meilen, von nichts als Meilen und Meilen. Exquisite Bar. Heiß- und kaltlaufende Stubenmädchen. PS: Sie müssen hier bleiben. Es gibt kein anderes Hotel.“

Doch obwohl unermeßliche Reichtümer jene erwarten, denen hier die Ausbeutung der riesigen Erdschätze gelingt, leben in Kanadas „North“ kaum 40.000 Menschen, was etwa einer „Bevölkerungsdichte“ von 40 Quadratmeilen per Einwohner entspricht ...

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