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Der offene Eiskasten

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„Wir haben endlich die Tore des Eiskastens geöffnet!“ triumphierte Jean Chretien, Kanadas dynamischer junger Minister des Nordens. Schon vor den 100-Jahr-Feiern des Bestandes der Nordwestterritorien hat Chretien (Ressort: Northern Development) darauf hingewiesen, wie sehr Kanadas hoher Norden von den Investierungen des amerikanischen, französischen, japanischen, britischen, deutschen und belgischen Kapitals profitiere.

Schon im Vorjahr produzierten die elf Bergwerke in Kanadas arktischem Imperium Werte von mehr als 155 Millionen Dollar. 64 Prozent der Produktion werden von ausländischen Interessen kontrolliert. Kupfer, Blei und Zink, Gold und Silber, Asbest, Nickel, Kadmium, Pechblende und Kohle gehören zu den Bodenschätzen der Nordwestterritorien und des Yukon. Im Augenblick ist die Suche nach öl und Erdgas in den Mittelpunkt des Weltinteresses gerückt. Jeder große ölkonzern ist an dieser fieberhaften Suche beteiligt. Von den 440 Millionen Acres, die für die öl-und Erdgassuche verpachtet wurden, konnten sich kanadische Interessen kaum 31 Prozent sichern. Die USA sind in 50,7 Prozent dieses Gebietes aktiv, gefolgt von Frankreich (7,2 Prozent) und Großbritannien (4,8 Prozent). Kanadas wichtigstes Projekt in dieser Sphäre ist Pan-arctic Oils Ltd., an der die Regierung mit 23 Millionen Dollar — und 45 Prozent — beteiligt ist. Während die ölsuche von Panarctic noch nicht erfolgreich war, gelang es bereits, auf den arktischen Inseln große Erdgasvorkommen zu entdecken.

Große Hoffnungen setzt Ottawa auf die Ausbeutung der riesigen Eisenerzvorkommen bei Mary River (Baf-fin Island). Ein internationales Konsortium — Baffinland Iron Mines Ltd. —, das als sehr finanzkräftig gilt, kontrolliert die Vorkommen, deren Eisengehalt bis zu 70 Prozent beträgt. Während einer Unterredung mit den Direktoren der Baffinland Iron Mines Ltd. im März, wies Northern Development-Minister Chretien darauf hin, daß die Regierung interessiert sei, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Die Gesamtkosten des Projekts — einschließlich des Baues einer Eisenbahn nach Mime Inlet (an der nördlichen Spitze der Insel) — werden auf 300 Millionen Dollar geschätzt. Kanadas arktisches Imperium hat eine Bevölkerung von bloß 48.000, bildet aber 40 Prozent des „Landes der schwarzen Bären“. Die Nordwestterritorien allein erfassen ein Drittel der kanadischen Landmasse. 33 Prozent ihrer 32.000 Einwohner sind Eskimos, 19 Prozent Indianer. Die Einwohnerzahl des Yukon hat erst die 16.000-Grenze erreicht, doch — so James Smith, Commissioner des Territoriums — „Erdschätze im Werte von ungezählten Milliarden Dollar warten bei uns auf ihre Ausbeutung. Es besteht kein Zweifel daran, daß die Zukunft dem Yukon gehören wird.“ Schon hat hier deutsches und japanisches Kapital die Ausbeutung der reichen Blei-, Zink- und Silbervorkommen der neuen Anvil Mine in der Bergwerkstadt Faro ermöglicht.

Die Suche nach Kupfer (besonders bei Hope und Dismal Lake verheißungsvoll) wird von dem „ölrausch“ überschattet. Schätzungen von Experten, die auch auf „seismic soun-ding“ basieren, erwähnen nun, daß die Ölvorkommen der Nordwestterritorien bis zu 300 Milliarden Barrels enthalten können. Die von Imperial Oil bei Atkinson Point — 50 Meilen nordöstlich von der Eskimosiedlung Tuktoyaktuk — entdeckten Ölvorkommen wurden bereits mit jenen von Leduc verglichen, welche die Prärieprovinz Alberta zu „Kanadas Texas“ machten.

Heute weisen Kommentatoren darauf hin, daß öl von Alaskas Prudhoe Bay und Kanadas Arktis die Weltpolitik beeinflussen könnte. Preisgünstige Lieferungen nach Europa würden die Wirtschaftslage von Saudi-Arabien, Kuwait und Libyen schwächen, ihre finanzielle Hilfe für Nasser reduzieren, auf diese Art Israels Existenz sichern. Die großen 100-Jahr-Feiern des Bestandes der Nordwestterritorien finden in Anwesenheit der Königin Elizabeth statt. Sie werden Kanadas arktisches Imperium, dessen dramatische Bedeutung noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht hat, in den Mittelpunkt des Weltinteresses rücken.

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