6830342-1974_35_08.jpg
Digital In Arbeit

„Neue Man(ischurei“

Werbung
Werbung
Werbung

Immer mehr japanisches Kapital strömt nach Kanada ein und immer mehr kanadische Werke werden von japanischen Interessen kontrolliert. Columbia, die westlichste Provinz des zweitgrößten Landes der Erde, verdankt dem „grünen Gold“ der riesigen Forste und dem Reichtum an Bodenschätzen eine beneidenswerte Prosperität. Nim donnert die „Vancouver Sun“, die bedeutendste Zeitung von Kanadas Kalifornien: „British Columbia ist die neue Mandschurei, und die Japaner haben sie gewonnen, ohne einen Schuß abgefeuert zu haben.“

British Columbia ist größer als Großbritannien, Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark und die Schweiz zusammengenommen, hat aber eine Bevölkerung von bloß zweieinhalb Millionen. Der Großteil der japanischen Investierungen in Kanada ist hier konzentriert. Freimütig berichtet Mitsuhiro Manabe, Repräsentant der japanischen Außenhandelsorganisation JETRO in Vancouver: Wir haben für den Augenblick unsere Ziele erreicht — vornehmlich Investierungen in Kupferminen, in der Zellstoffindustrie und in Kohlenbergwerken.

Bereits vor seinem Machtantritt im Jahre 1972 behauptete David Barret, der sozialistische Premierminister von British Columbia: „Japan versucht, die Kontrolle über unsere Naturschätze zu gewinnen, was Tokio im letzten Krieg nicht gelang. Sie erreichten mit Geld, was sie mit Waffengewalt nicht vermochten.“

Schon rangiert Japan unter Kanadas Händrispartnem — nach den USA — an zweiter Stelle. R. F. Ben- nett; ‘ Präsident der kanadischen Fordwerke, erklärte in einer Rede vor dem kanadischen Industriellenverband: „Wenn die Japaner so weitermachen, werden sie uns auffres- sen.“

Fast 50 Prozent des Ausstoßes von British Columbias Industrie entfällt auf Produkte der Holz- und Papierindustrie, und ln diesem Sektor sind japanische Investitionen besonders bemerkenswert. Konzerne, wie Mi- tusbish, Sumitomo, Itioh, Daishowa- Marubeni und Niseho Iwai, besitzen oder kontrollieren eine wachsende Zahl von Zellstoffwerken und Säge- müMen. Das zu rapide Eindringen japanischer Interessen in die Forstpro- duktionsindustrie veranlaßte die Regierung von British Columbia bereits, Werke zu kaufen — um ihre Erwerbung durch japanische Konzerne zu verhindern.

Auch in dem Sektor des Fischfanges verfolgt die Regierung von Bri- tirii Columbia japanische Investierungen mit gemischten Gefühlen. Schon besitzt Marubeni 49 Prozent der Fischkonservenfabrik Cassiar Packing Co. bei Prince Rupert; ein Unternehmen, das auch im Fischfang sehr aktiv ist. Mitsubishi ist unter anderem mit 30 Prozent an Kaiser Resources LtcL beteiligt, die reiche

Kohlevorkommen bei Sparwood im Crowsnest Pass ausbeutet. Auch in Kupferminen findet man japanisches Kapital.

Besonders groß ist das Interesse japanischer Konzerne an einer Beteiligung bei der Ausbeutung der riesigen Ölvorkommen aus dem Teersand des Athabasca-Gebietes in Alberta. Mitsubishi, Marubeni, Mitsui, Nissho-Iwai, Sumitiomo Shoji und Itoh & Co. und andere sind durch Büros in der „Ölhauptstadt“ Calgary repräsentiert und besonders die Chancen von Mitsubishi scheinen vielversprechend zu sein.

Japianische Investitionen in Kanada reichen von der ,meuesten Fahrradfabrik der Welt“ — Sddne Canada Ltd. in Rivers (Manitobe) — bis za dem Prince Hotel in Toronto, dem ersten japanischen Hotel in Nordamerika. Das Luxushotel der Seibu- Gmppe wurde am ersten Juni eröffnet. Mit der Erwerbung von 51 Prozent der bekannten Textilfabrik Bruck Mills (Montreal) durch Marubeni und Toyobo Cs., ist japanischem Kapital ein interessanter Vorstoß in La Belle Province Quebec gelungen.

Während Produkte der japanischen Industrie (Autos, Motor- und Fahrräder, Fernsehempfänger, Radios und Textilien) einen immer größeren Teil des kanadischen Marktes erobern, liefert Kanada unter anderem 66 Prozent der japanischen Importe von Blei, 31 Prozent der Zinkeinfuhr, 28 Prozent der Kupferimporte und 18 Prozent der eingeführten Kohle. In den ersten neun Monaten des Vorjahres kletterten Kanadas Exporte nach Japan auf 1,2 Milliarden Dollar, doch nur 2 Prozent entfielen auf Produkte der verarbeitenden Industrie.

Die Zahl der japanischen Touristen steigt jährlich um mehr als 20 Prozent. In diesem Jahr erwartet Kanada bereits über 90.000 Besucher aus Japan. Für die Hotels von Vancouver — „Kanadas Torweg des Pazifiks“ — und der Skifahrer-Paradiese, wie Jasper und Banff, werden diese Gäste von immer größerer wirtschaftlicher Bedeutung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung