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Bizarre Energiepolitik

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Obwohl Kanada riesige Erdölvorkommen besitzt, erreicht der tägliche Ausstoß bloß die Höhe von 2,000.000 Barrels. Davon werden 960.000 Barrels in Kanada verbraucht, 1,000.000 Barrels werden nach den USA exportiert. Gleichzeitigt aber importiert Kanada täglich 1,000.000 Barrels Erdöl aus Ubersee. Es gibt eine Erklärung für diese etwas ungewöhnliche Tatsache.

85 Prozent des kanadischen Erdöls kommt aus Alberta. Das „Schwarze Gold“ hat „Kanadas Texas“ bereits zu einer der reichsten Provinzen des zweitgrößten Landes der Erde gemacht. Zudem besitzt Alberta im Athabasca-Teersand erorme Erdölvorkommen, mit deren Ausbeutung erst 1967 in bescheidenem Ausmaß begonnen wurde. Amerikanisches Kapital ermöglichte den „Schwarzen Goldrausch“ in Kanadas Prärie.

Noch vor wenigen Jahren war der Weltüberschuß so groß, daß die öl-felder Albertas nur mit 50 Prozent ihrer Kapazität produzieren konnten. Die Tatsache, daß es billiger war, Erdöl mit Schiffen aus Übersee zu importieren, formte die heute bizarr anmutende ölpolitik Kanadas. Nur westlich von der Bundeshauptstadt Ottawa deckt kanadisches öl den Bedarf; Importe versorgen die Gebiete östlich von Ottawa.

Die Erdölpolitik Kanadas wird früher oder später einen dramatischen Wandel erfahren. Die internationalen Konzerne haben bis nun der Verlängerung der Pipeline von Alberta nach Montreal opponieren können, was — so der „Toronto Star“ — große Erdölimporte notwendig macht.

Die Stimmen, welche die Schaffung eines staatlichen ölkonzernes fordern, mehren sich. Das würde eine intensivere Ausbeutung der Athabasca-Teersandvorkommen ermöglichen, ebenso eine Verlängerung der Pipeline nach Montreal. Der Umstand, daß vordem am Weltmarkt ein enormer ölüberschuß vorhanden war, begleitet von der Tatsache, daß die internationalen Konzerne Ölraffinerien in Montreal besitzen, torpedierte bisher die Verlängerung der Pipeline.

Hauptlieferanten von Kanada sind zur Zeit Venezuela (44 Prozent), die arabischen Länder (30 Prozent) und der Iran (16 Prozent). Kanada hat sich bereits entschließen müssen, die ölexporte nach den USA zu besteuern. George Ball, unter den Präsidenten Kennedy und Johnson zweiter Mann des Außenministeriums in Washington, warnte — während einer Rede in Toronto — Kanada vor der Drosselung der ölexporte nach den USA, da diese zu Gegenmaßnahmen führen könnte. Energieminister Donald Macdonald konterte, Ball habe Karriere mit Hilfe von Drohungen gegen Kanada gemacht.

In jüngster Zeit sind die ölim-porte Kanadas aus Venezuela auf mehr als 400.000 Barrels je Tag gestiegen. Zwei internationale Konzerne — Standard Oil of New Jersey und Shell — kontrollieren 80 Prozent von Venezuelas Erdöl. Trotz Kanadas großer Ölvorkommen besteht auch hier die Gefahr einer Krise. Sie wäre akut, wenn ein Teil des für Kanada bestimmten Erdöls aus Venezuela nach USA abgezweigt würde — und wenn die arabischen Nationen Kanada wegen seiner öl-lieferungen in die Vereinigten Staaten unter Druck setzen sollten.

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