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Mehr Geographie als Geschichte

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Wirtschaftliche Konkurrenz haben in jüngster Zeit zahllose Probleme zwischen Kanada und Washington hervorgerufen. Altministerpräsident Pearson, der Friedensnobelpreisträger, charakterisierte Kanadas Beziehungen mit dem südlichen Nachbarn philosophisch: „Es ist wie das Leben mit der Gattin. Manchmal ist es schwierig und selbst irritierend, doch es ist unmöglich, ohne sie auszukommen.“

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Wirtschaftliche Konkurrenz haben in jüngster Zeit zahllose Probleme zwischen Kanada und Washington hervorgerufen. Altministerpräsident Pearson, der Friedensnobelpreisträger, charakterisierte Kanadas Beziehungen mit dem südlichen Nachbarn philosophisch: „Es ist wie das Leben mit der Gattin. Manchmal ist es schwierig und selbst irritierend, doch es ist unmöglich, ohne sie auszukommen.“

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Wohl sind die Vereinigten Staaten Kanadas bester Kunde, doch der Handelsüberschuß zu Gunsten Kanadas besteht zu einem Gutteil aus Lieferungen von Tochtergesellschaften amerikanischer Konzerne. Der Autopakt mit den USA brachte Kanada 1971 einen Überschuß von 168 Millionen Dollar, doch der Löwenanteil davon landete schließlich in den Vereinigten Staaten, denn Kanadas Autofabriken heißen General Motors, Ford, Chrysler und American Motors. Was die Ölindustrie (die von US-Konzernen dominiert wird) betrifft, hat Eric Kie-rans, Volkswirtschaftler und liberaler Exminister, behauptet, daß 71 Cents von jedem Dollar, den die ölexporte nach den USA einbringen, wieder in amerikanischen Taschen landen.

Versuche von Nixons Schatzmini-

1 ster John Connally, Kanada mit r Proben politischer Muskelkraft

1 einzuschüchtern, dürften in Texas

1 eine größere Wirkung als in Ottawa

- gehabt haben. Die Vereinigten . Staaten haben solche Riesensummen

2 in Kanada investiert, daß sie es sich 1 schon aus diesem Grund nicht leisten

- können, die Interessen des nörd-1 liehen Nachbarlandes zu verletzen, l Zudem ist 1972 ein Wahljahr in

- beiden Ländern — ein weiteres Mo-1 tiv dafür, wenigstens in Nordame-

- rika den Anschein von Konflikten zu

- vermeiden. So überragend ist der amerikar nische Einfluß in vielen Sektoren dei s kanadischen Wirtschaft, daß es den

3 politischen Parteien unmöglich ist. l von der Anti-US-Welle zu profitieren. Schätzungen erwähnen, daß dei

- kommende Wahlkampf Pierre Trudeaus Liberale rund 15 Millionen

' Dollar kosten wird, während da:

• Wahlbudget der Konservativer

■ 10 Millionen und jenes der sozialisti-

. sehen NDP mit 2 Millionen bewertel t wird. Der Löwenanteil der Koster des liberalen und konservativer

Wahlkampfes wird durch Zuwendungen von Industrie und Wirtschaft gedeckt — hier aber spielen Tochtergesellschaften der US-Konzerne eine sehr bedeutende Rolle; auch bei den Wahlspenden.

Selbst die sozialistische NDP, deren Wahlkampf vorwiegend von den Gewerkschaften finanziert wird, muß bei dem Kampf gegen die US-Interessen eine gewisse Zurückhaltung üben. Die größten und einflußreichsten Gewerkschaften, wie die UAW (Automobile Workers oi Ame-1 rica) haben ihr Hauptquartier nicht in Kanada, sondern in den Vereinig-i ten Staaten. Nur ein radikaler Flü-1 gel der NDP attackiert daher offen 1 die amerikanischen Interessen in Kanada; die vornehmlich aus jungen Intellektuellen bestehende „Waffle“-Gruppe, deren Führer die Universitätsprofessoren Watkins und Laxer sind, stößt allerdings auf den beinharten Widerstand der großen Gewerkschaften. Schon hat auch eine Parteiorganisation der Stahlmetro-•• pole Hamilton die Ausstoßung der [ „Waffles“ aus der NDP gefordert.

Das Bonmot, Kanada habe mehr Geographie als Geschichte, charakterisiert das Verhältnis des „Lande3 der schwarzen Bären“ zu dem Nach-: barn im Süden. Wohl hat James Re-; ston in der „New York Times“ erklärt, daß die Vereinigten Staaten nie die Absicht hätten, Kanada zu dominieren oder zu demütigen, doch

Ider amerikanische Diplomat Charles Bohlen hat sehr treffend bemerkt, was immer wieder neue Probleme für die Vereinigten Staaten schaffe: „Wir sind einfach zu verdammt 1 mächtig und reich!“

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