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Ein Säkulum Kanada

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Die Montrealer Weltausstellung vom 28. April bis 27. Oktober wird Kanada mehr als je vorher in den Mittelpunkt des europäischen Interesses rücken. Der sehr attraktive Östenreichpavillon der EXPO 67 und die Kanadareise,, des Bundespräsidenten, ebenso das Gastspiel der Wiener Staatsoper werden die 20,000.000 Kanadier im besten Sinne des Wortes „österreichbewußt“ machen und in Zukunft Verwechslungen zwischen Austria und Austraäia aus Konversationen eliminieren. (Die Ähnlichkeit beider Namen ist übrigens kein Zufall; als der Seefahrer Pedro Fernandez de Quiros Anno 1606 den Erdteil sichtete, gab er ihm den Namen Austra-lia, um seinem Schutzherrn, König Philipp III: von Spanien, der bekanntlich der in Österreich herrschenden Dynastie entstammte, zu ehren.)

Von 1867 bis 1967 stieg die kanadische Bevölkerungszahl von 3,500.000 auf 20,000.000, vornehmlich wegen des Zustromes der Einwanderer aus Europa. Während von der Volkszählung im Jahre 1951 nur 32.231 Österreicher erfaßt wurden, waren es im Jahre 1961 bereits 106.535. Allein im letzten Jahr suchten 2313 „Austrians“ im zweitgrößten Land der Erde eine neue Heimat.

Wohl sind die Worte Sir Wilfred hauriers, der von 1896 bis 1911 die Geschicke des Landes lenkte und vorausgesagt hatte, daß das „20. Jahrhundert Kanada gehören werde“, noch nicht in Erfüllung gegangen, doch der wirtschaftliche Aufstieg des Landes wird immer eindrucksvoller.

Der Einfluß der Österreicher in Kanada ist weit größer als man ihrer Zahl nach vermuten würde. In der Prärie schafft der Industrielle Karl F. Landegger, durch die Gründung der Prince Albert Pulp Co., die einen Ausstoß von 250.000 Tonnen Zellstoff im Jahr erreichen wird, den größten Industriebetrieb der Provinz Saskatchewan. Dr. Arnold) Walter ist Direktor der Musikfakultät der Universität Toronto. Professor Dr. Hans Selye, Leiter des Instituts of Experimental Medicine & Surgery an der Universität Montreal, gilt als zukünftiger Nobelpreisträger. Seine „Stress Theory“ hat weltweite Beachtung gefunden. Professor Dr. O. J. Fire-stone ist Vizedekan der Universität Ottawa, einer der bekanntesten Volkswirtschaftler Kanadas und auch als Berater der Regierung weithin prominent geworden.

In der Presse findet man unter anderen Peter C. Ne'wman, den zur Zeit meistgelesenen politischen Kommentator Kanadas, und Fred Nossal, einen Leitartikler von Torontos „Globe & Mail“; beide Journalisten verließen Österreich in jungen Jahren. Carl Weiseiberger wurde in Ottawa zum einflußreichsten Kunstkritiker. Henry Kreisel schrieb in seiner neuen Heimat den erfolgreichen Einwandererroman ,;The Rieh Man“. Er ist nun Leiter des English-Department der Universität Aiberta.

Die Wienerin Professor Irene Jessner, seit den dreißiger Jahren eine gefeierte Diva von New Yorks Metropolitan Opera, wirkt nun als Gesangspädagogin an der Musikfakultät der Universität Toronto. Ihre bisher erfolgreichste Schülerin ist bereits weltbekannt; es ist Teresa Stratos, die von Rudolf Bing an die Metropolitan Opera verpflichtet wurde. Die junge Ernestine Tahedl erntet mit ihren Kunstwerken in Glas hohe Anerkennung und wurde kürzlich mit einem kanadischen Staatspreis ausgezeichnet. Die Komponistin Sophie Eckhardt-Gr amatte, Gattin des österreichischen Honorarkonsuls in Winnipeg, erhielt im Rahmen der 100-Jahr-Feiern der Nation Kanada einen ehrenden Kompositionsauftrag.

Kann Kanada auch als eines der glücklichsten und reichsten aller Länder bezeichnet werden, so sind doch dieser Nation schwerwiegende Probleme nicht erspart geblieben. Die separatistischen Tendenzen in Quebec, Kanadas größter Provinz, deren Bevölkerung zu etwa 80 Prozent Französisch als Muttersprache hat, werden immer stärker, und ein prominenter Journalist wie Tim Creery hat behauptet, daß sich „La Belle Province“ innerhalb eines Jahrzehnts von Kanada lossagen wird. Immer inniger werden die Beziehungen Quebecs mit Paris.

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