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Kanadas „goldener Sand“

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300 Meilen nördlich von Edmonton, der Hauptstadt der ölreiohen kanadischen Provinz Alberta, sind die „Athabasca-Bituminous-Sands“-Vorkommen, die heute im Brennpunkt des Interesses stehen. Die sandige, ölgetränkte Substanz, die wie Plastilin aussieht und deren Duft an den Geruch einer frisch geteerten Straße erinnert, enthält die wohl größten Ölvorkommen der Erde. Nach Schätzungen bis zu 300 Milliarden Barrels.

Diese Teersandvorkommen im Ufergebdet des Athabasca River befinden sich in einem Distrikt von 30.000 Quadratrneilen, dessen Mittelpunkt Fort McMurray ist. Schon hat ein Konzern — Great Canadian Oil Sands — von dem staatlichen Alberta Gas & Oil Conservatton Board die Bewilligung erhalten, hier mit der Ausbeutung dieses „schwarzen Goldes“ (Tagesproduktion: 45.000 Barrels) zu beginnen. Haupt-

aktionär des Konzerns ist die Sun Oil Co. Ltd., eine Tochtergesellschaft von Philadelphia Sun Oil Co. Auf Wunsch von Premier Ennest Manning wird Albertans der Kauf von Aktien ermöglicht werden. Mit der ölproduktion wird am 1. September begonnen werden. Es handelt sich hier um ein Projekt für dessen Ausbau 190 Millionen Dollar vorgesehen sind.

Obwohl die riesigen Ölvorkommen des Gebietes schon in alter Zeit bekannt waren, hat es erst der technische Fortschritt unserer Tage ermöglicht, öl von Sand und anderen Stoffen gewinnbringend zu separieren. Man beschreibt die Methode, den „hot water flotation process“: Dampf, Heißwasser und Ätznatron werden in die Erde gepumpt und auf die Lagerstätte wirken gelassen. Auf diese Weise entsteht eine teerartige Substanz, die herausgepumpt werden kann.

Für eine Flasche Seligkeit . . .

Asphaltvorkommen des Atha-bascagebietes waren schon Sir Alexander Mackenzle bekannt. Als er im Jahre 1793 die Gegend erforschte, mußte er sein Kanu reparieren. Ein schlauer Indianer machte sich erbötig, dem Forscher für eine Flasche Whisky das dafür nötige Material zu verschaffen — von den hiesigen „Teerquellen“, welche die Rothäute zur Abdichtung ihrer Kanus benützten. Unter jenen, die mehr als ein Jahrhundert später von dem „schwarzen Goldrausch“ in McMurray erfaßt waren, befand sich auch ein deutscher Adeliger. Alfred von Hammerstein war Anno 1897 nach Klondike unterwegs, als er auf den Teersand aufmerksam wurde. Chronisten berichten, daß Herr von Hammerstein bei den Bohrungen hier ein kleines Vermögen einbüßte.

Der Prärieprovinz Alberta hat das öl bereits einen „goldenen Segen“ gebracht. Seit dem Jahre 1947 strömen Riesensummen in die Regierungskassen, die aus dem Verkauf der Erdölreohte stammen. Einmal beschloß Premier Manning sogar, allen Albertans, die das 21. Lebensjahr erreicht hatten, Millionen von Dollars als „Staatsbürgerdividenden“ auszuzahlen. Wer damals ein bei den Amtsstellen aufliegendes Formular ausfüllte, erhielt von der Regierung einen Scheck zugesandt, der — dem Jahr entsprechend — 15 bis 18 Dollar betrug.

Indirekte Pensionen

Seither ist Albertas Regierung allerdings dazu übergegangen, die Rieseneinnahmen aus den öltan-tiemen den Einwohnern auf kon-

ventionellere Weise zugute kommen zu lassen. Dem Straßenbau, dem Schulwesen und Spitälern werden Riesentbeträge zugeführt Gemeinden, von der Großstadt bis zum Dorf, erhalten von der Regierung Gelder, die ihnen die Konstruktion neuer Projekte, von Stadthallen bis zu Schwimmbädern, ermöglichen. Von den schmucken neuen Altersheimen (die jeweils Raum für 50 Personen haben) sagt man denn auch, sie gleichen Pensionen.

Cadillacs wie in Hollywood

Von den hochbezahlten amerikanischen ölexperten, die vornehmlich in und bei Calgary leben, wird behauptet sie besäßen mehr Cadillacs als jede andere Bevölkerungsgiruppe Nordamerikas — mit Ausnahme der in Hollywood Lebenden. Auch den Erdgasvorkommen verdankt Alberta zusätzlichen Reichtum. Ihre Auswertung wird immer wichtiger, doch schon Rudyard Kipling erklärte während seine Besuches in Lethbridge: „Das ist die Stadt mit der Hölle im Keller.“

Premier Ernest Manning lenkt seit mehr als 20 Jahren die Geschicke von Alberta, das auch als „Kanadas Texas“ bezeichnet wird. Bei der letzten Landtagswahl eroberte dlie von ihm geführte Partei nicht weniger als 60 von 63 Mandaten! Manning ist ein politisches Phänomen. Er gehört Social Credit — einer Splitterpartei — an, die in der Staatspolitik die Rolle des fünften Rades am Wagen spielt. (Bei den Wahlen zum Bundesparlament im Vorjahr entsandte Alberta nur zwei Social-Credit-Abgeordnete nach Ottawa.) Doch der 55jährige Premier, ein Abstinent, dessen Lieblingslektüre die Bibel ist, gilt als unschlagbar. Die Ausbeutung von Albertas „goldenem Sand“ im Ufergebiet des Athabasca River sollte seine Position noch weiter festigen.

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