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Wann wird Israels Ol fließen?

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S. d. B„ H a i f a, im Dezember

Ein israelischer Staatsmann gab kürzlich den Stoßseufzer von sich: „Wenn unsere diversen Oelbohrer nur schon den kleinsten Erfolg aufweisen könnten — dann wäre Israels politische Isolierung zu Ende!“ In diesem Gedanken ist viel Wahres. Die großen Demokratien des Westens, die in . ihrer Weltpolitik die arabischen Staaten sichtlich mit Glacehandschuhen behandeln, tun dies keineswegs aus besonderer Liebe für die zwischen Primitivität, Korruption und Militärdiktatur hin und her pendelnden Regimes der meisten von ihnen, sondern aus dem höchst realen Grund, das Erdöl des Mittelostens vor dem Zugriff des bolschewistischen Blocks zu retten. Und Israel würde über Nacht für sie ebenso interessant wie seine arabischen Nachbarn, wenn die verschiedenen wissenschaftlichen Prognosen hinsichtlich der Erdölvorkommen auf israelischem Territorium von einem konkreten Resultat begleitet wären.

Die Chance von Oelfunden in Israel wird von Kennern hoch eingeschätzt. Als Anzeichen dafür werden genannt: die vulkanische Struktur der Gebiete in der Nähe des Toten Meeres, die Schwefelvorkommen in der Nähe von Gaza (an der Mittelmeerküste, jetzt von den Aegyptern besetzt), eine Reihe von Indizien, daß sich im Süden Erdgas befinde, Asphaltadern an verschiedenen Stellen des Landes sowie geologische Schichtungen im nördlichen Negew, in der Küstengegend, im Bezirk um Sichren Jaakow (zwischen Haifa und Hadera) und in der Nähe der Nordgrenze Israels. Viele Kommentatoren der Bibel erklären die Zerstörung von Sodom und Gomorrha mit einer Feuersbrunst, die durch Erdgas hervorgerufen worden sei. Ueber die Asphaltadern, die für das Vorhandensein von

Erdgas sprechen, berichtet schon das berühmte Buch „Herrn Thomas Shaws Reisen und Anmerkungen, verschiedene Theile der Barbarey und der Levante betreffend“, das in deutscher Ausgabe 1765 in Leipzig erschienen ist. Die eigenartige geologische Struktur Palästinas hat schon die Römer angeregt, die das „Mare mor- tuum“ (das Tote Meer) als eines der „Curiosa des Orbis terrarum bezeichneten. Alle antiken Reisebeschreibungen erwähnen das Phänomen der „Asphaltfischerei“ im Toten Meer. In der jüngsten Vergangenheit — während der britischen Mandatszeit — gab es insgesamt 29 Schürf- konzessionen; doch wurde nur eine tatsächlich zu Probebohrungen ausgenützt, die der Petroleum Development (Palestine) Ltd., einer Tochtergesellschaft der Iraq Petroleum Co. Sie begann 1947 mit ihren Bohrungen in Huleikat (zwischen Gaza und Beerscheba), aber als die Bohrungen bereits eine Tiefe von 1000 Meter erreicht hatten, mußten sie wegen des Kriegsausbruches abgebrochen werden.

Neun Unternehmungen (hauptsächlich Amerikaner und Kanadier) haben gegenwärtig in Israel Bohrkonzessionen erworben. Es handelt sich um erfahrene Fachleute, die die enormen Investitionen nicht scheuen; das spricht für die Wahrscheinlichkeit eines positiven Ergebnisses, wenn auch niemals so eines mit Bestimmtheit vorausgesagt werden kann. Eine der Gruppen hat sich die Mitarbeit eines Schweizer Geologen und die Unterstützung durch Schweizer Kapital gesichert. Die Lapidoth Israel Petroleum Ltd., Tel Aviv, an deren Kapital Ampal-American Palestine Trading Corp., New York, beteiligt ist, besitzt drei Konzessionen, die gleichmäßig über den Südbezirk und den Norden verteilt sind. Die Israel Oil Prospecting Corp. Ltd., Haifa, mit schweizerischer und amerikanischer Kapitalbeteiligung hat eine Konzession im Norden. Lapidoth und Israel Prospecting Corp. Ltd. haben außerdem fünf Konzessionen im ganzen Land gemeinsam, das in vier Petroleumbezirke eingeteilt worden ist. Die Israel Continental Oil Co. Ltd., Tel Aviv, setzt sich aus den ursprünglichen Konzessionären New Continental Oil Co. of Canada, Calgary, Kanada, und Mr. B. M. Bloomfield, Montreal, Kanada, zusammen; sie besitzt neun Konzessionen. Pan Israel Oil Co. Inc., Jerusalem (ursprüngliche Konzessionäre B. W. Newdirk, A. M. Abernethy und T. R. Harrison, Toronto. Kanada) verfügt über fünf Konzessionen. Medi- terrattean Petroleum Corp., Jerusalem (früher Israel Oil Licences Inc. — G. H. Brodie), besitzt fünf Konzessionen. Husky International Ltd., Jerusalem, besitzt sieben Konzessionen. D. C. Bintliff, Houston, Texas (israelischer Vertreter Haim Zadek in Tel Aviv), besitzt eine Konzession.. Und Nadel & Gussmann, Tulsa, Oklahoma, besitzt gemeinsam mit Palestine Economic Corp. of New York, Tel Aviv, zwei Konzessionen. Die Geschichte der Bohrungen geht aber, noch weiter zurück als auf die britische Mandatszeit: Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Palästina türkisch war, wurden die ersten Schürf- und Bohrkonzessionen erteilt.

Die neuen Konzessionsinhaber sind zum Teil bereits an der Arbeit, zum Teil in der Vorbereitung ihrer Tätigkeit. Man nimmt an, daß bis Ende 1954 die Mehrzahl der Konzessionen aktiviert sein dürften. Eine große Anzahl von Bohrmaschinen und Werkzeugen ist bereits in Israel eingetroffen; darunter ein technisches Wunderwerk der amerikanischen Maschinenindustrie, ein Rotationsbohrer, der eine Tiefe von 4500 m erreichen kann.

Die ersten Probebohrungen sind von Lapidoth gemeinsam mit Israel Prospecting in der Nähe von Sodom an der Südspitze des Toten Meeres angefangen worden. Eine Bohrung wurde in der liefe von 800 Meter aufgegeben, eine zweite in der gleichen Gegend neu unternommen. Das gleiche Unternehmen hat auch einen Bohrturm in der Nähe von Gaza, in der Ortschaft Be’eri, aufgestellt.

Für die Ausbeutung des Landes hat Israel ein eigenes Petroleumgesetz geschaffen, das die private Initiative des Unternehmers fördert. Technisch ist somit alles auf das beste vorgesehen — und die Hoffnungen sind hochgespannt. Aber freilich: auch die Skepsis darf nicht ganz ausgeschaltet werden Dr. Gerschon Meron, der Generaldirektor der israelischen Brennstoffgesellschaft D.elek, sagte in einem in Israel viel diskutierten Artikel am Schlüsse: „Man darf nicht vergessen, daß das Vorkommen von Oel in der ‘ Theorie in den verschiedensten Gegenden der Welt .nachgewiesen“ worden ist — aber daß zum tatsächlichen Finden von Oel mehr gehört als Theorie und Logik: nämlich Glück, Ausdauer, Sachkenntnis Geld und’Zufall.“‘

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