6546650-1947_19_03.jpg
Digital In Arbeit

Die Schatzkammer am Toten Meer

Werbung
Werbung
Werbung

Gewaltige Spannungen schütteln den vorderen Orient, die ihren Ausdruck in einem erbitterten Kleinkrieg finden, der mehrere kriegsstarke britische Divisionen in dem kleinen Winkel zwischen Libanon und Sinai bindet. In die Millionen Pfunde gehen die Werte, die er verzehrt. Es muß sich also um einen ganz großen Einsatz und um das Spiel gigantischer Kräfte handeln, die diese Erschütterungen auslösen.

Gewiß, es geht um die Heimstätten der Juden, „the establishment in Palastine of a national home for the jewish people“, die der damalige britische Staatssekretär des Äußern, Lord Balfour, in seinem bekannten Schreiben vom 2. November 1917 Lord Rothschild, als dem Vertreter des Zionismus, versprach. Aber Palästina ist gleichzeitig uralter arabischer Boden, Jerusalem eine der heiligen Stätten des Mohammedanismus und je mehr seit dem Ende des ersten Weltkrieges das Arabertum erstarkte, um so leidenschaftlicher hat es diesen Pfahl in seinem geschlossenen, von Marokko bis an die syrische Pforte reichenden Raum bekämpft. Die englische Mandatsregierung, durch dreißig Jahre vergeblich bemüht, einen Ausgleich zu finden, konnte die Quadratur dieses Kreises, die böse Folge eines übereilten Startes, nicht lösen.

Da die ultima ratio in allen inkurablen Fällen der Weltpolitik heute die Vereinten Nationen sind, steht nun das Palästinaproblem auf der Tagesordnung der gegenwärtigen Tagung der UN in Lake Success. Die fünf arabischen Staaten beantragen, das britische Mandat für erloschen und Palästina für unabhängig zu erklären. Indien hat sich hiemit solidarisch erklärt. Die Jewish Agency verlangt Teilnahme des jüdischen Volkes an den Beratungen, doch ohne Stimmrecht. Amerika und Sowjetrußland haben ihre Stellungnahme noch nicht bekanntgegeben. England will die Beschlüsse nur als „Empfehlungen“ gelten lassen.

Hinter diesen mit größter Erbitterung ausgefochtenen Kämpfen stehen aber nicht nur nationale Aspirationen. Es geht um ungeheure Vermögenswerte, wahrhaft einmalige Schätze, gelegen in einer der unwirtlichsten Gegenden der Welt — in der Region des Toten Meeres. Bekanntlich enthalten seine Fluten zu 25 Prozent diverse Salze. Ein offizieller Bericht des britischen Kolonialministeriums stellte 1925 fest, daß das Tote Meer in gelöster Form 22 Milliarden Tonnen Magnesiumchlorüre, 11 Milliarden Tonnen gewöhnliches Salz und 2 Milliarden Tonnen Pottaschechlorüre enthält. Der französische Gelehrte Georges Claude stellte nach einem Bericht der belgischen Zeitung „Le Phare“ weiter fest, daß die gleichen Gewässer auch für zehn Milliarden englische Pfund gelöstes Gold enthalten sollen. Eine britische geologische Mission unter Dr. Holmer bezifferte in einem dem anglo-amerikanischen Palästinakomitee vorgelegten Bericht im Jahre 1945 die Schätze des Toten Meeres mit 200 Milliarden Pfund. Danach finden sich in dieser Gegend Lager von Phosphaten, Pottasche, Gips, Schwefel, Selenium, Kupfer, Blei, Nickel und Thorium. In den alluvialen Ablagerungen fanden die Forscher Gold sowie Türkisen und andere wertvolle Steine. Eine Anspielung des Berichtes deutet auf das Vorhandensein von radioaktiven Mineralien. Die für England höchst wichtige Pottasche, sonst nur in Zentral- und Osteuropa lagernd, findet sich im Toten Meer in praktisch unbegrenzten Mengen. Gegenwärtig werden jährlich erst 140.000 Tonnen hievon dort gewonnen. Unter den Nebenprodukten der Pottasche spielt eine Hauptrolle das in Kombination mit Aluminium für den Flugzeugbau hochwichtige Magnesium. Auch Petroleum findet sich in Palästina und im House of Lords unterstrich Lord Templewood Englands großes Interesse daran. Eine neue Anfrage beschäftigte am 16. Oktober 1945 das Unterhaus mit dem Palästinapetroleum. Die Regierung erklärte damals durch Kolonialminister Hall, dieses Petroleum könne aus Mangel an Material und Arbeitskräften nicht gewonnen werden. Auf eine scharf präzisierte Frage des Abgeordneten Bower, ob nicht geheime internationale Interessen die Ausnützung dieser Rohstoffquelle verhinderten, erfolgte keine Antwort.

Ein eigenartiges Interesse hat Ägypten an diesen Sdiätzen, deren Vorhandensein England verhindert, den Kanal von Suez durch einen Palästinakanal, den schon Ferdinand von Lesseps erwogen hatte, zu umgehen. Eine englische Studienkommission bestätigte 1929 bei einer Prüfung an Ort und Stelle die Richtigkeit des Projekts von Lesseps, das einen Wasserweg Haifasee von Tibe-rias — Jordantal — Totes Meer vorsah. Das einströmende Wasser des Mittelmeeres würde die tief gelegene Jordan-Tote-Meer-Senke bis zur Seehöhe auffüllen. Die moderne Technik wäre fähig, diese Arbeiten in fünf Jahren mit drei Millionen Pfund Kosten zu bewältigen. Ägypten wäre bie-durch sehr betroffen, da es die hohen Suezkanalgebühren und den Schlüssel zum Seeweg nach Indien verlieren würde. Der Entwurf konnte nicht ausgeführt werden, da er die Schätze des Toten Meeres versenkt hätte und da durch das Jordantal und das Tote Meer die Grenze zu Transjordanien läuft, das souverän, Mitglied der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga ist. Die Araber werfen ohnedies bereits England vor, ihre Interessen in diesen Fragen nicht gewahrt zu haben. 1929 erhielten von England nämlich zwei neu eingebürgerte palästinensische Staatsbürger, Juden russisdien Ursprungs, Tulloch und Novomeyski, die Konzession zur Ausnützung des Toten Meeres. Diese Privilegierung führte in beiden Häusern des britischen Parlaments zu starken Angriffen, da man behauptete, sie seien Strohmänner des deutschen Kalisyndikats. Tulloch trat zurück und Novomeyski bildete einen Verwaltungsrat aus amerikanisdien und britischen Staatsbürgern. Diese Gruppe setzte sich in den britischen Parlamenten durch. Aber der Imperial Chemical Trust und eine Gruppe britischer und französischer Konzessionäre griffen ein. Letztere hatten noch von der Türkei vor dem ersten Weltkrieg die gleichen Redite erworben. Sie strengten gegen die Gruppe Novomeyski einen Prozeß an, der noch läuft und dessen Ende nicht abzusehen ist.

Es harren sonach in Palästini ebenso schwerwiegende wie verwickelte Fragen der Klärung und der von der Vollversammlung der Vereinten Nationen eingesetzte Arbeitsausschuß hat über britischen Antrag die Materie einem Unteraussdiuß zugewiesen, der den Komplex prüfen und der Vollversammlung auf der Septembertagung Bericht zu erstatten hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung