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Kanadas Drang nach Europa
Der wahrscheinliche Eintritt Großbritanniens in die EWG beunruhigt die Kanadier. Robert Stanfleld, Führer der konservativen Opposition im Bundesparlament — soeben von einer Europareise, die auch zu Unterredungen mit Kanzler Willy Bi'andt und Premierminister Edward Heath führt, nach Ottawa zurückgekehrt — bezeichnet die EWG als die jüngste Supermacht, deren Bedeutung von Kanada nicht länger unterschätzt werden dürfe.
Stanfleld, dessen Partei in der FCern-provinz Ontarlo seit mehr als zwei Jahrzehnten an der Macht ist, tritt auch für die Ernennung eines Botschafters bei der EWG in Brüssel ein. Schon herrscht in kanadischen Kreisen die Meinung vor, daß die wirtschaftliche Bedeutung der EWG in den kommenden Jahren nur noch von den USA übertroffen werden würde. Stanfleld ist der Ansicht, daß engere wirtschaftliche Bindungen zu den Ländern der EWG Ottawa eine von Washington unabhängigere Politik ermöglichen würde. Im Vorjahr repräsentierte Kanadas Ausfuhr den Wert von 14,4 Milliarden Dollar. Exporte in der Höhe von 10,2 Milliarden Dollar gingen in die USA; Großbritannien mit kanadischen Importen im Werte von 1,4 Milliarden Dollar rangierte an zweiter Stelle. Kanadas Exporte in die EWG-Länder erreichten die Höhe von fast 1,3 Milliarden Dollar.
Besonders für Kanadas Landwirtschaft ist der britische Markt von großer Bedeutung, da dag United Kingdom fast die Hälfte des Lebensmittelbedarfes importiert — und weil die Exporte von Kanadas Landwirtschaft von keinen britischen Zöllen belastet sind. Stanfleld ist der Ansicht, daß die Regierung Trudeau die Bedeutung der EWG für Kanadas Zukunft noch nicht erkannt hat. Der Führer von Kanadas Konservativen ist für ein „besonderes Verhältnis“ zur EWG (nach dem Beitritt Großbritanniens) — oder für die Erwägung einer nordatlantischen Trading area, falls es nicht dazu kommt.
Es gibt natürlich überzeugende Argumente für Kanadas Drang nach Europa. Die Chance Kanadas, unabhängig zu bleiben, hängt zu einem Gutteil von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des „zweitgrößten Landes der Erde“ in Großbritannien und auf dem europäischen Kontinent ab. Zu große Beschränkungen würden Kanada zu noch engeren Bindungen mit Washington zwangen. Dazu Stanflelds Kommentar: „Unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten ist wahrscheinlich bereits enger als jenes zwischen zwei anderen Nationen in der Welt — abgesehen vielleicht der Äußeren Mongolei und vielleicht der Äußeren Mongolei und der UdSSR...“
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