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Warten auf Trudeau

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Noch sind die Meinungen geteilt, ob Kanadas junger Regierungschef das Talent zu einem Crackpoker-spieler habe — oder ob er bloß ein Zauderer sei —, doch Bonn und Washington harrten mit gleich großem Interesse auf Pierre Trudeaus Entscheidung über Kanadas künftige NATO-Politik. Fast alle Anzeichen deuteten auf Kanadas Verbleiben in der North Atlantic Treaty Organization, Dem standen nur Trudeaus Worte vom 8. November vor den Studenten der Queens Universität gegenüber: „Die Möglichkeit von Unruhen in den Städten der USA und Kanadas macht mir mehr Sorgen als die Möglichkeit eines Krieges in Europa.“

Selbst vor wenigen Tagen, während seines Besuches bei Präsident Nixon In Washington, war Trudeau noch nicht zu einer Entscheidung bereit. Damals wies ein prominenter Amerikaner darauf hin, wie fragil die Allianzen der USA seien und seufzte: „Wenn wir uns nicht einmal mehr auf Kanada verlassen können...“ Trotzdem braucht der Spielraum, in dem Trudeau manövrieren kann, nicht überschätzt werden. Wohl mag Kanada in Kürze die diplomatischen Beziehungen mit Peking aufnehmen — was der Getreideausfuhr zuträglich sein sollte —, doch Ottawa kann es sich niemals leisten, Washingtons weltpolitisches Konzept zu stören, und eine schlagkräftige NATO gehört dazu. Zudem braucht Kanada immer wieder wirtschaftliche Konzessionen von Washington, zu denen nun auch größere Erdölexporte in die USA gehören. Die Tatsache, daß Kanadas Ölindustrie zu 75 Prozent in amerikanischem Besitz ist, begünstigt dies wohl, zeigt aber gleichzeitig, wie sehr Trudeau auf Washingtons Goodwill angewiesen ist. Obwohl Kanadas NATO-Kontingent — eine Armeebrigade und eine Fliegerdivision — nur 11.000 Mann stark ist, wurde Ministerpräsident Trudeaus Entscheidung eine symbolische Bedeutung zugemessen; auch wegen der Möglichkeit, daß Kanadas Ausscheiden aus der North American Treaty Organization für andere Nationen ein Signal ein | könnte,'diesem Beispiel zu folgen. Anderseits war und ist die Tatsache, daß die Waffen der kanadischen NATO-Einheiten (Centurion Tanks und F-104 Starfighters) noch für mindestens fünf Jahre einsatzbereit sind, von nicht geringer Bedeutung.

Obwohl Pierre Trudeau, Junggeselle und Millionär, im Privatleben — als Sportsman und Weltreisender — das Image des Abenteuerlustigen besitzt, sind seine politischen Entscheidungen bisher immer eher konservativ gewesen.

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