Auf Seiten des Kindes

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Unser Lektorix des Monats.

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"Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?" Immer schon hat es sie gegeben, die fiktiven Schreckfiguren, mit denen Kindern Angst eingejagt werden soll, in Märchen, Sagen, Gruselgeschichten. Märchenhaft beginnt auch Christine Nöstlinger: "Es war einmal ein kleiner Junge, der hieß Anton. Sehr brav war der Anton nicht." Immer, wenn sich die Mutter über ihren Sohn ärgert, droht sie ihm mit dem schwarzen Mann. Und der kommt dann tatsächlich, aber ganz anders als gedacht. Uralt, nicht größer als ein Regenschirm, schäbig und gar nicht bedrohlich. Für Anton wird er zum Freund und Helfer, der dem Jungen mit vielen schönen Einfällen wie dem Gießen des Gummibaums mit Hagebuttentee zur Seite steht. Doch als die Mutter ihn entdeckt, wächst der schwarze Mann zu riesenhafter Größe mit Teufelshaaren und Vampirzähnen. Es ist Anton, der die unter den Küchentisch geflohene Mutter vor ihm beschützen muss. Ab nun wird sie ihrem Sohn nie mehr drohen. "Ja, Mama! Das wird gut sein, sonst erschrickst du wieder so sehr!"

Origineller Witz

Mit originellem Witz dreht Christine Nöstlinger das Motiv um, lässt den schwarzen Mann zum Verbündeten des Kindes, die Kinderschreckfigur zur Elternschreckfigur werden. Damit entlarvt sie erwachsenes Drohverhalten als das, was es ist: Ausdruck einer destruktiven Hilflosigkeit, die nur dazu beiträgt, dass das Kind sich mehr und mehr zurückzieht. Was natürlich zu keiner Lösung führt, noch dazu wo Anton nicht wirklich "schlimm" ist: aus Kindersicht neugierig, voller Fantasie und Ideen, aus der Erwachsenensicht zumindest ärgerlich. (Zerlegte Wecker oder bekritzelte Wände sind aus mütterlicher Perspektive nicht Ausdruck kreativen Forschergeistes, sondern machen Arbeit.)

Es ist eine der großen Stärken der Autorin, dass sie auf sehr unverkrampfte Art Partei ergreift, ihre Aussagen kommen nicht als moralische Botschaft daher, sondern als humorvolle, dynamische Geschichte. Die farbenfrohen Illustrationen der jungen Leipziger Künstlerin Stefanie Reich tun das ihrige, um dieser Leichtigkeit des Tons zu entsprechen, vor allem auch in den Bildperspektiven das emotionale Erleben Antons einzufangen. Vor diesem schwarzen Mann muss sich keiner fürchten, als Kind schon gar nicht. Man wird ihn geradezu ins Herz schließen.

Der schwarze Mann

Von Christine Nöstlinger. Illustr. von Stefanie Reich. Sauerländer 2012 40 S., geb., € 15,50

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