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Das Leben eines Märchendichters

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Der schwedische Literarhistoriker, Publizist und Soziologe Fredrik Book, bei uns vor allem durch sein Buch über „Das reiche und das arme Schweden“ bekannt, hat durch seine Andersen-Biographie, die unter dem Titel „Das Leben des M ä r ch e n-dichters H. C. Andersen“ in deutscher Sprache noch während des Krieges in der Schweiz erschienen ist (im Verlag Fretz & Wasmuth, Zürich, 241 .Seiten und 16 Bilder), die Literaturgeschichtschreibung um ein wahres Meisterwerk bereichert. Andersen ist keine Gestalt, die nur Dänemark anginge, er ist auch nicht allein ein Märchendichter für die Jugend. Andersen gehört zu den großen Dichtern der Weltliteratur, die zu allen Völkern sprechen. Und gerade zu Österreich ist Andersen in innigen Beziehungen gestanden. Es sei nur an die Aufzeichnungen über seinen Wiener Aufenthalt erinnert; Andersen ist auch einer der frühesten Schilderer des Donaustromes und seiner weiten Landschaf-ten. Fredrik Book zeichnet mit feinen Strichen das seltsame märchenhafte Leben dieses Märchen dichters, der aus einem bitteren Proletarierdasein in dem kleinen Städtchen Ostense zum weltberühmten Künstler und Freunde von Königen und Fürsten aufstieg, dessen Charakter manche Sdiwächen aufwies, in dessen Werk aber Tiefsinn und Naivität eine köstliche Ehe eingegangen sind, und der zu den großen, nie veraltenden Erziehern der Jugend gezählt werden muß.

Was nun an Bööks Darstellung besonder! fesselt, ist die fein abwägende Psychologie, der Takt, mit dem der Autor auch die Sdiwächen des Dichters in den Kosmos seiner Seele einzufügen versteht und die leise Tragik und Ironie eines Daseins sichtbar werden läßt, das für eine ganze europäische Kulturepoche charakteristisch erscheint. Der Duft der dänischen Kultur, die Atmosphäre des bürgerlichen Kopenhagen des neunzehnten Jahrhunderts umfängt den Leser, den Österreicher aber, der Raimund und Stifter liebt, muß die Welt, die ihm in der Gestalt und in der Dichtung Andersens entgegentritt, nah verwandt und vertraut anmuten. Gleich diesen Großen unserer österreichischen Dichtung, die so schlicht und naiv wirken und deren Werk doch von den tiefsten Fragen des menschlichen Daseins kündet, läßt auch Andersen hinter allem Geschehen in seinen Romanen und Märchen ein Reich der Seele erkennen, in dem der Mensch seine innere Freiheit findet

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