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Durchgestylte Urbanität

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Museum moderner Kunst in Wien: Anne und Patricia Poiriers Werke einer „individuellen Mytlioiogie" amüsieren und irritieren zugleicli.

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Museum moderner Kunst in Wien: Anne und Patricia Poiriers Werke einer „individuellen Mytlioiogie" amüsieren und irritieren zugleicli.

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Mit ungewöhnlicher Präzision schaffen Anne und Patrick Poirier ihre poetischen Konstruktionen und Ob-jektgruppen, in denen sie architektonische Komplexe darstellen. Zum Teil handelt es sich um historisch anmutende Rekonstruktionen, beispielsweise „Ostia anti-ca", zum Teil um futuristische Städte und Bauwerke wie „Theater of Memory". Die wirkungsvollen Objekte und Objektmodelle sind radikale Entwürfe einer durchgestylten Urbanität, in der es keine Menschen mehr gibt. Städte als Selbstzweck des ausgelebten Gestaltungswillen.

Und da sich in den Modellen keine menschlichen Wesen bewegen, ist auch nicht vorstellbar, wie groß eine tatsächliche bauliche Umsetzung sein sollte. Das läßt der interpretierenden Phantasie sämtliche Möglichkeiten offen.

Manche Modelle sind in Schä-delkcdotten eingepaßt, sind daher als Produkte eines gestalterischen Willens kenntlich. Und doch handelt es sich nicht um einen Wildwuchs der Phantasie, der sich um nichts kümmert, sondern es werden umfassende Kenntnisse detailliert aufbereitet. In den Konstruktionen lassen sich beabsichtigte Parallelen zu antiker Architektur fmden, aber auch zu fernöstlichen Kultstätten.

Anne und Patrick Poirier sind Erfinder einer individuellen Archäologie. Gleich Wissenschaftlern bauen sie Vitrinen und Schränke mit Schubladen, um die von ihnen geschaffenen Fundstücke teilweise zu verbergen. Die Schubladen sind nur ein wenig geöffnet, und so sehr sich auch der Betrachter müht, tieferen Einblick zu gewinnen, das Geheimnis, der angebhch wissenschaftlich gesicherte Inhalt bleibt verborgen. Dieses Zeigen und gleichzeitig Verbergen ist irritierend und amüsant zugleich. Wird damit doch das Ritual, das unter dem Vorwand etwas zu erklären, mehr verheimhcht als erläutert, auf hohem technischem Niveau karikiert.

Das Künstlerpaar, das zu den Vertretern der sogenannten „individuellen Mythologie" zählt, stellt zur richtigen Zeit aus: Im KunstHaus Wien werden eben Architekturmodelle und Zeichnungen von Le Corbusier präsentiert, also Ideen, die zum Teil baulich verwirklicht worden sind. Kontrastreicher könnten diese gegensätzlichen Positionen gar nicht vorgeführt werden.

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