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Ein James Bond von gestern

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EIN ABSTECHER NACH PARIS. Von Somerset M a u r b a m. t'benetsung Schönfeld. Scherl-Verlar, Berlin-München. 240 Seiten. DM 18.80.

Ein junger Engländer, er ist erst 22 Jahre alt, hat dieser Tage gelassen zugegeben, daß er in diesem Jahr 40.000 Pfund verdient hat, umgerechnet fast drei Millionen Schilling. Er ist damit nicht unzufrieden, denn er meint, immerhin habe er das Niveau des Jahres 1966 aufrechterhalten können. Der junge Mann erzeugt Pornokriminalromane — kurz: er ist von der James-Bond-Welle hochgespült worden. Somerset Maugham war auch Großverdiener; wie viele seiner unzähligen Bewunderer wissen, daß er selber im ersten Weltkrieg für die Alliierten Spionage betrieb? Der ursprüngliche Titel dieses Buches, in dem Maugham die eigenen Erlebnisse und Beobachtungen als Material für Spionagegeschichten verwendete, hieß „Ashenden“. In den Augen des englischen Geheimdienstes besaß der erfolgreiche Romancier Ashenden einige vielversprechende Vorzüge: Beobachtungsgabe, Menschenkenntnis, weitgehend anzunehmende Unbestechlichkeit und Geduld. Ashenden selbst fehlte nur eine Lebensdimension: die Bewegungsfreiheit, die Möglichkeit, Reisen zu unternehmen und dadurch der Eintönigkeit des Zivilistendaseins inmitten eines Weltkriegs zu entgehen. So nahm Ashenden ein neues Leben auf, in das er hineinpaßte wie ein Frühstücksei in den Eierbecher.

Zu den besten Kapiteln in diesem Buch gehört „Der Verräter“, eine Erzählung, in der Ashenden nicht viel mehr unternimmt, als ein in der Schweiz lebendes deutsch-englisches Ehepaar aus nächster Nähe zu beobachten. Überdenkt man die Technik Somerset Maughams, so fällt einem dabei auf, wie erstaunlich wenig in seinen Erzählungen geschieht; es ist fast so, daß Handlung, Bewegung, vorgetäuscht werden. Geht es zuweilen laut zu, so ist das meistens Nebensache, die wirklichen Pointen treten immer leise auf und sind immer psychologischer Natur. Wer im übrigen glaubt, die „heutige Jugend“ bestehe zur gelegentlichen Zerstreuung zwischen Schularbeiten unbedingt auf die sogenannte Bond-Welle, der irrt; Maugham finden viele junge Menschen unwiderstehlich. Die ganzen zeitgenössischen Attrappen in den Büchern jüngsten Datums: Überschallflugzeuge, alle

neuesten Errungenschaften der Elektronik, sind sicherlich interessant und rufen große Spannungen hervor. Aber eine Menschenjagd im Ruderboot ist genauso entsetzlich wie eine per Flugzeug, und wie, fragt man sich, sollte heute eine junge Spionin die Geheimdokumente in ihrer Kleidung unterbringen? Nein, der alte Meistererzähler Somerset Maugham wird den Dreimillionenverdiener samt allen Kollegen mühelos überleben.

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