Managerin ihres Manns

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Katia Mann im Mittelpunkt zweier Neuerscheinungen: Die Biografien nähern sich nüchtern und ohne Pathos der Frau von Thomas Mann.

Was den Briten ihre Windsors, das sind den Deutschen ihre Manns", schrieb Marcel Reich- Ranicki einmal. Wieder einmal muss man ihm Recht geben, wieder einmal haben die Manns Hochkonjunktur. Heinrich Breloers vorzüglicher Fernseh-Dokumentation vor zwei Jahren folgten ein lesenswertes Porträt Elisabeth Mann-Borgeses und nun gleich zwei Biografien über Katia Mann. Katia Mann starb 1980. Gründe dafür, dass man sich erst jetzt mit ihr beschäftigt, lassen sich finden. So aufregend ihr Leben nämlich verlief, es taugt kaum zu Spekulationen. Zu souverän stellte sie sich in den Dienst ihres Mannes und ihrer Familie, als dass man daraus eine Leidensgeschichte oder Heiligenlegende konstruieren könnte.

Wenig verwunderlich somit, dass beide Chronisten-Duos durch Tugenden überzeugen, die schon ihren Gegenstand auszeichneten: Nüchternheit statt Pathos, Erkenntnisinteresse statt Verehrungssucht. Um es vorwegzunehmen: Beide Biografien kommen zu ähnlichen Ergebnissen, und das trotz höchst verschiedener Ausgangspositionen. Während Inge Jens als Herausgeberin der Thomas Mannschen Tagebücher aus einer sublimen Kenntnis schöpfen konnte, mussten sich Jüngling und Roßbeck ihre Materie erst mühsam erarbeiten.

Weder Leidensgeschichte

Als Thomas Mann Katia Pringsheim, jene dunkelhaarige, von Franz von Kaulbach porträtierte Schönheit kennenlernte, die in einem prunkvollen Palais in der Münchner Arcisstraße aufwuchs, hatte er das Gefühl, eine Art Prinzessin vor sich zu haben. Was die Tochter eines Mathematikprofessors von vergleichbaren jungen Frauen unterschied: Sie hatte nicht das "girrend Weibchenhafte" an sich, das Thomas Mann nicht ausstehen konnte. Katia war uneitel und fiel als Mädchen mit ihren vier Brüdern durch ihren aufmüpfigen Geist auf. Weniger durch ihr Aussehen definierte sie sich als durch Intelligenz und Wissen. Thomas Mann schrieb damals, als er um sie warb, an seinen Bruder Heinrich: "Trachte ich nach meinem Glück? Ich trachte nach meinem Leben; und damit wahrscheinlich nach meinem Werke." War der Grund für Thomas Manns skeptische Einschätzung des Eheglücks damals schon in seiner homoerotischen Veranlagung zu suchen?

Fest steht, dass der nach seinem Werk Trachtende sich für die richtige Frau entschieden hatte. Weibliche und männliche Strukturen waren - stellen beide Biografien fest - bei den Pringsheims nicht eindeutig voneinander abgegrenzt. Das Phänomen "juveniler männlich-weiblicher Undifferenziertheit" dürfte, wie Jüngling und Roßbeck mutmaßen, auf Thomas Mann durchaus reizverstärkend gewesen sein. Während Katia mehr zum Männlichen tendierte, verkörperte ihr Zwillingsbruder Klaus eher die weibliche Seite. Inge und Walter Jens betonen die Selbstverständlichkeit, mit der Katia Tommys Bisexualität aufgenommen haben muss. Wie es wirklich gewesen sein mag? Ausnahmsweise helfen uns die vielen unveröffentlichten Briefe Katias, mit denen Inge und Walter Jens brillieren können, nicht weiter. Dafür kann man umso mehr in Hedwig Pringsheims respektlosen Bemerkungen schwelgen, was die Beurteilung des Schwiegersohns angeht. An Maximilian Harden schreibt sie: "Katias Tommy-Männchen fährt fort, eine Ungeschicklichkeit nach der anderen zu begehen."

Überhaupt sorgt der süffisante Tonfall, der allen Pringsheims zueigen war, dafür, dass beide Biografien nicht langweilig werden. Ein "rehartiges Gebilde von großer Sänfte" nannte Katia ihren frischgebackenen Ehemann. Schwang da nicht schon eine gehörige Portion Ironie mit? Doch zum Glück stand Tommy, wie wir aus seinen Tagebüchern wissen, in puncto Ironie seiner Frau in nichts nach. Bei Jüngling und Roßbeck, die diese reichlich plündern, springt denn auch der ironische Funke gern über. Etwa wenn sie Tommys Eintragung "Abgespült" mit der Frage kommentieren: "Sollte er das ganz alleine bewerkstelligt haben?"

Etwas behutsamer gehen Inge und Walter Jens mit ihren Delinquenten um, wie denn überhaupt ihre Stärke in der größeren Psychologisierung liegt. Doch es sind nur Akzente, die beide Bücher voneinander unterscheiden. Während Roßbeck und Jüngling genauere Ahnenforschung betreiben, analysiert das Ehepaar Jens eingehender Katias Verhältnis zu Klaus und Erika, den "begabten Teufelchen". Beide zeichnen sie das überzeugende Bild einer Frau, die durch ihre Omnipräsenz als sechsfache Mutter, Ehefrau und Repräsentantin zur tragenden Kraft des gesamten Clans wird. War nicht Tommy, fragen Roßbeck und Jüngling, Katias erfolgreichstes Kind?

Die Frau, die sich selbstironisch Frau Thomas Mann nannte, versuchte ihren Beruf so gut wie irgend möglich auszuüben, um den damit verbundenen Status redlich zu verdienen. Sie empfing und unterhielt die vielen privaten und offiziellen Gäste, die in ihrem Haus ein- und ausgingen. Sie führte die Einstellungsgespräche mit dem Dienstpersonal und organisierte die zahlreichen Umzüge. Sie fungierte als Schatzmeister, verhandelte mit dem Verleger und füllte Steuererklärungen aus. Sie kümmerte sich um Hotelreservierungen und chauffierte ihren Mann, der nie einen Führerschein besaß. Selbst seinen Schreibstil konnte sie so gut nachahmen, dass sie viele lästige Briefe selbst beantworten konnte.

... noch Heiligenlegende

Dass sie ihre Kräfte übermäßig beanspruchte, wusste Thomas Mann nur zu gut. Zu ihrem 70. Geburtstag rühmte er ihr "unerschütterliches Ausharren" und ihre "heldenhafte Geduld". Und dennoch: Auf ihrer vierten Amerikareise 1938 hatte er auf der Queen Mary in seinem Tagebuch notiert: "Bei Tische stellten wir die 33 Jahre unseres Verheiratetseins fest. Das Erschrecken, der Schwindel dabei: Das Leben - ich sagte, ich möchte es nicht wiederholen, das Peinliche habe überwogen. Fürchte K. weh getan zu haben." War Katia an der Seite ihres Mannes glücklich? Die Frage aller Fragen können beide Biografien nicht beantworten. Katia Mann hätte sie ohnehin als indiskret empfunden.

Katia Mann. Die Frau des Zauberers

Biografie von Kirsten Jüngling und Brigitte Roßbeck

Propyläen Verlag, München 2003

415 Seiten, geb., e 22,70

Frau Thomas Mann

Das Leben der Katja Pringsheim

Von Inge und Walter Jens

Rowohlt Verlag, Reinbek 2003

352 Seiten, geb., e20,50

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