Werbung
Werbung
Werbung

Bücher über Mitglieder der Familie Mann haben Hochsaison.

Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es jetzt schön langsam reicht. Mittlerweile gibt es kein Mitglied der Familie Thomas Mann, über das keine Biographie (oder deren mehrere) geschrieben worden wäre, und kaum eines, das nicht seine eigene geschrieben hätte. Vor zwei Jahren erschienen gleich zwei Lebensgeschichten der Katia Mann, eine von Inge und Walter Jens, die nun auch noch eine Biographie von Thomas Manns Schwiegermutter Hedwig Pringsheim vorgelegt haben; für Herbst ist bei Rowohlt ein Band mit dem Titel "Die Kinder der Manns" angekündigt.

Nun also "Die Frauen der Familie Mann", von denen drei ja zugleich "Kinder der Manns" sind, des Schriftstellers Töchter Erika, Monika und Elisabeth. Selbstverständlich kann ein solches Unterfangen, mag es noch so sehr auf die weibliche Perspektive abzielen, die Männer der Manns nicht ausblenden, und selbstverständlich bleibt wie im Leben alles auf das Oberhaupt der Familie, den "Zauberer", fixiert. Und natürlich stellt eine solche Familiengeschichte ein Recycling des bisher Mann-mäßig Erforschten dar, wenngleich die Autorin etliche unveröffentlichte Briefe aus dem Münchner Monacensia-Archiv verwertet.

Die Vorfahren

Interessant jedenfalls und noch wenig bekannt sind Katia Manns weibliche Vorfahren, ihre Mutter, die Schauspielerin Hedwig Dohm, die den steinreichen Mathematikprofessor Alfred Pringsheim heiratete, und deren Mutter gleichen Namens, geborene Schlesinger, später "Schleh", die als Romanautorin und radikale Frauenrechtlerin bekannt und in der Familie das "Urmiemchen" genannt wurde. Mit ihrem "Schwiegerenkel" Thomas Mann geriet sie aneinander, als dieser auf die Frage, ob er sich einen Sohn oder eine Tochter wünsche, meinte, ein Mädchen sei doch keine "recht ernsthafte Angelegenheit". Da musste sich der angehende Herr Papa vom Urmiemchen als ein "verdammter alter Anti-Feminist und Strindbergianer" beschimpfen lassen.

Nicht nur im Vergleich mit der aufopferungsvollen Familienmanagerin Katia, auch gegen deren jüngere Töchter nimmt sich die Urgroßmutter als uneinholbar fortschrittlich aus: Selbst Nesthäkchen Elisabeth, die sich als autodidaktische Meeresforscherin vom Mann-Komplex emanzipieren konnte, ordnete sich zunächst ihrem wesentlich älteren italienischen Gatten unter und propagierte erst nach dessen Tod - zum Missfallen der Feministinnen - die späte Emanzipation nach vollbrachter Fortpflanzungsarbeit. Thomas Mann selbst hatte, allen Bedenken zum Trotz, zu seinen Töchtern, auch zur "schwierigen" Monika, ein besseres und innigeres Verhältnis als zu seinen Söhnen. Hildegard Möller fasst noch einmal zusammen, wie verschwenderisch Erika und Klaus, die Ältesten, mit ihrer Begabung, ihrer Gesundheit und dem Geld des Vaters umgingen. Sie zeigt wohl die ungerechte Verteilung von Zuwendung durch den Vater, auch seine kränkende Kühle vor allem gegen Klaus, der zeitlebens um die väterliche Anerkennung seiner schriftstellerischen Arbeit warb; sie betont aber auch Thomas Manns Toleranz und Großzügigkeit.

Großbürgerliche Reisen

Berichtet wird viel von großbürgerlichen Reisen, Festen, Krankheiten, Kuren und Umzügen - auch der Neuanfang im Schweizer, dann im amerikanischen Exil hatte trotz allen Existenzängsten des Patriarchen etwas Luxuriöses. Katias Judentum und das ihrer Familie wird vor allem in seinen praktischen Auswirkungen (ihre alten Eltern flüchteten erst 1939 in die Schweiz) beleuchtet, kaum in seiner Bedeutung für das Selbstverständnis der Töchter. Die Werke des Vaters geraten bei alledem nur insoweit ins Blickfeld, als sie den Alltag bestimmen, Biographisches verarbeiten und Gegenstand von Vorlesungen oder Abschluss-Feiern werden.

Hohe Selbstmordrate

Bemerkenswert die Nonchalance, mit der in der Familie über die homosexuellen Neigungen des Vaters und dreier Kinder gesprochen wurde, über den schwulen Klaus, die offen bisexuelle Erika, den gehemmt homophilen Golo (Katia wiederum hatte einen bisexuellen Zwillingsbruder, nach dem man den Sohn Klaus nannte). Erstaunlich auch die Offenheit, mit der sich Vater, Mutter und Kinder über den Gebrauch von Psychopharmaka, Drogen und Alkohol austauschen, erst als es Klaus mit dem Opium und der jüngste Sohn Michael mit dem Wein übertreiben, ist man ernstlich besorgt. Die Manns waren eben keine bürgerliche Familie, trotz Manieren und Krawatten am Strand. Die hohe Selbstmordrate rund um den Dichter, zwei seiner sechs Kinder (Klaus und Michael), zwei seiner vier Geschwister, wird hier nicht wohlfeil dämonisiert. Als der todessüchtige Klaus sich 1949 endlich erfolgreich das Leben nimmt, setzen Thomas, Katia und Erika eisern professionell die Vortragstour in Schweden fort, nur Golo und Michael kommen zum Begräbnis.

Die Autorin porträtiert die wohl besterforschte Familie Deutschlands mit Sympathie, ohne die Ansprüche zu beschönigen, denen nicht alle Kinder gewachsen waren. Manches nimmt sich hier ein wenig bieder aus, einiges wird allzu oft wiederholt, manchmal bleibt die interpretatorische Erleuchtung aus: Wenn Katias Mutter die Kinderzahl ihrer Tochter kritisiert ("daß es im nächsten Sommer 4 (!) sein werden, finde ich ein bischen [sic] eilig"), bezieht Möller das auf die Anzahl der Urlaubswochen.

Zur Familiengeschichte passt Erika Manns nun erstmals auf deutsch publizierter Roman "Wenn die Lichter ausgehen", zweifellos eine wichtiger Beitrag zur Exilliteratur: Nach dem Scheitern ihres so erfolgreichen Kabaretts "Die Pfeffermühle" in den usa hatte die brillante und charmante Tochter des "Zauberers" sich dort als Vortragende zur politischen Lage profiliert.

1940 veröffentlichte sie den Roman "The Lights Go Down", Episoden aus einer süddeutschen Kleinstadt im Hitlerreich - die deutsche Urfassung ist verloren, der Text musste rückübersetzt werden. Anders als viele Schicksalsgenossen war Erika Mann über die Situation in Deutschland ausgezeichnet informiert, sie verwendete Zeitungsberichte und ns-Gesetzestexte für ihren sozialen Querschnitt. Sie selbst bezeichnete den semidokumentarischen Roman als "politisches Lehrbuch". In der Tat haben all die in ihrem Kern guten Nazibürger etwas Holzschnittartiges.

Die Geschichte endet mit dem Untergang eines Flüchtlingsschiffs - da wusste die Autorin noch nicht, dass ihre Schwester Monika ein solches Unglück nur knapp überleben und dabei ihren Mann verlieren würde. Manchmal kann man auch zu wenig Biographie liefern: Irmela von der Lühe erwähnt in ihrem profunden und ausführlichen Nachwort weder Erikas lesbische Liebespraxis noch ihre Drogensucht und auch nicht, dass sie ihre "Paß-Ehe" (nach ihrer ersten Ehe mit Gustaf Gründgens) immerhin mit dem englischen Dichter Wystan H. Auden einging.

Die Frauen der Familie Mann

Von Hildegard Möller

Piper Verlag, München 2004

419 Seiten, geb., e 20,50

Wenn die Lichter ausgehen

Geschichten aus dem Dritten Reich

Von Erika Mann. Dt. von Ernst-Georg Richter. Verlag Rowohlt, Reinbek 2005. 315 Seiten, geb., e 20,50

Ebenfalls erschienen:

Katias Mutter

Das außerordentliche Leben der Hedwig Pringsheim

Von Inge und Walter Jens

Verlag Rowohlt, Reinbek 2005

285 Seiten, geb., e 20,50

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung