Ein Profiteur des Nazi-Regimes

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Der Roman blieb über Jahrzehnte hinweg ein großes Phantom der Literaturgeschichte. 45 Jahre lang war er der Öffentlichkeit kaum zugänglich. 1936 erschien Klaus Manns Roman „Mephisto“ im Amsterdamer Exil-Verlag Querido, in Nazi-Deutschland kam er umgehend auf die schwarze Liste. Bemühungen, das Buch nach dem Krieg zu veröffentlichen, scheiterten daran, dass Verleger vor drohenden Prozessen zurückschreckten. 1956 erschien das gefürchtete Werk in der DDR, es kursierten Raubdrucke in linken Kreisen, ansonsten bezog man Informationen dazu aus zweiter Hand. Erst 1981 kam das Buch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in den Handel. Gegen den ausdrücklichen Rat von Juristen ging Rowohlt-Verleger Matthias ­Wegner das Risiko einer Taschenbuchaus­gabe ein. Es gab keine Vorankündigung, um einer einstweiligen Verfügung zuvorzukommen. Völlig unvorbereitete Buchhändler wurden mit ausreichend Exemplaren versorgt, nicht ausgelieferte Bände wurden in Dänemark gelagert, um sie dem Zugriff deutscher Behörden zu entziehen. Innerhalb knapp dreier Monate waren 300.000 Stück verkauft.

Warum solch ein Wirbel um ein Werk der Fiktion? Es wurde als Schlüsselroman gelesen, in dessen Zentrum Gustaf Gründgens steht. Er hatte Karriere im Dritten Reich gemacht, hatte Umgang mit den Spitzen des Regimes. Selbst seine Homosexualität wurde ihm nicht zum Verhängnis, zumal er unter persönlichem Schutz von Hermann Göring stand. Nach dem Krieg fasste Gründgens rasch wieder Fuß, klar, dass er und später sein Adoptivsohn Peter Gorski die Veröffentlichung mit allen Mitteln zu verhindern suchten.

Entzweite Freundschaft

Warum schoss sich Klaus Mann auf Gründgens ein? In den 1920er-Jahren bestand eine intensive Freundschaft zwischen den beiden. Gemeinsam mit Erika Mann und der Schriftsteller-Tochter Pamela Wedekind spielten sie in Hamburg Theater. Als Erika Mann Gründgens heiratete, war Klaus Mann sogar dessen Schwager. Und dann das Zerwürfnis: Der eine geht ins Exil, nimmt publizistisch den Kampf mit den Nazis auf, der andere passt sich an, wird zum Profiteur des Regimes. Gegen innere Widerstände rang sich Klaus Mann den Text ab. „Er ist schon recht stattlich und abscheulich angewachsen“, schrieb er seiner Mutter Katia Mann zum Roman, „wahrscheinlich wird er mir furchtbar schaden, ich persönlich finde, dass es ein zwar hässliches aber keineswegs uninteressantes Buch wird ...“ Heute lesen wir den Text weniger als Schlüsselroman denn als eine Geschichte von Anpassung bei gleichzeitiger Preisgabe des aufrechten Ganges. Und das geht uns erschreckend unmittelbar an.

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