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Offene Tur nach Asien

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Offen gesagt hat mich die berühmte portugiesische Besitzung Macao etwas enttäuscht. Ich erwartete luxuriöse Hotels mit eleganten Speisesälen und glänzenden Spielhöllen, wo sich die prominenten Hochstapler des Ostens und des Westens zum b u s i n e s s und zum Vergnügen treffen.

Was ich fand, war eine portugiesische Provinzstadt, wo immerhin die Bewohner von gelber Gesichtsfarbe sind, schräge Augen und Chinesisch als Muttersprache haben. Die Kirchen, die Schulen und die militärischen Anlagen sind jedoch echt „iberisch“. Nach kurzem Aufenthalt in Macao konnte ich die Neigung der Portugiesen begreifen, ihre überseeischen Besitzungen als Provinzen des Mutterlandes zu betrachten.

Die freiheitliche Atmosphäre Macaos hat sogar Frau Sun Yatsen, die Witwe des Vaters der chinesischen demokratischen Revolution vom Jahre 1911) dazu veranlaßt, das rote China zu verlassen— obwohl sie durch große Ehren-erwewungen umworben war — und sich in 'Macfäo4 rrM1n?fhVhöchst dekorativen Haus in der Stadtmitte niederzulassen, wo sie dann vor kurzer Zeit aus dem Leben schied,

Allerdings war sie -nicht die einzige, die Macao dem China Maotsetungs vorzog/ Wie in Hongkong gibt es auch in Macao Tausende von Antikömmunisten, die aus China geflüchtet sind und das karge Leben in ärmlichen Holzhütten wählen, anstatt sich weiterhin in dem zweifelhaften Segen des roten Paradieses zu sonnen. Es gibt noch immer Einschleicher, die unter Lebensgefahr vor kommunistischen Kugeln das Schwimmen über den „W e s t River“ wagen, um von Wanchai im roten China aus Macao zu erreichen.

Außer der Freiheit vor Verfolgung kann Macao ihnen nicht viel bieten! Seine viereinhalb Quadratmeilen können den 200.000 Bewohnern nur eine allzu bescheidene Existenz gewährleisten. Die Hauptquellen des öffentlichen und privaten Einkommens sind die Herstellung von Streichhölzern, Weihrauch und Feuerwerk.

Jedenfalls nutzen die tüchtigen chinesischen Bauern jeden Quadratzentimeter des vorhandenen Bodens aus, um so viel Lebensmittel wie möglich an Ort und Stelle zu erzeugen. Vermutlich wird aus Macao eine beträchtliche Menge von Gold nach China geschmuggelt; selbstverständlich stehen aber über solche gesetzwidrige Handlungen keine genauen Angaben zur Verfügung.

Macao ist seit mehr als vier Jahrhunderten eine europäische „Enklave“ auf dem chinesischen Festland. Im Gegensatz zu Hongkong wurde Macao während des zweiten Weltkrieges nicht von den Japanern besetzt, und deshalb hat das Ansehen der Europäer dort nicht so empfindlich gelitten.

Die Beziehungen des . kleinen Macao zum großen Lande der Chinesen sind heute diplomatisch“ r— .„höflich!“ wäre schon zuviet gesagt/'—, doch selbstbewußt. Die Portugiesen wissen, daß, wenn man den Frieden bewahren will, der Mut ein besserer Ratgeber als die Angst ist. Trotzdem kommt es manchmal zu unangenehmen Zwischenfällen, und erst unlängst haben die chinesischen Grenzposten einen Soldaten der portugiesischen Armee, einen Afrikaner, totgeschossen.

In einer Zeit, da Asien ebenso wie Europa von einer Sintflut von revolutionären Umwälzungen verheert wird, kommt uns Macao wie ein friedliches Museum östlicher und westlicher Zivilisation vor. Der Neger aus Afrika, der bei der Erfüllung seiner Pflicht im Schutze des „eurasischen“ Erbes ums Leben kam, darf deshalb als Symbol einer allmenschlichen Solidarität betrachtet werden.

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