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Ein teures Projekt

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Die Umgestaltung des Hafens von Macao in einen Welthafen und Umschlagsplatz für einen Großteil der rotchinesischen Ein- und Ausfuhr erfordert nicht nur eine Unzahl von Arbeitskräften, sondern auch ungemein große Geldmittel. Macao liegt im Deltagebiet des Pearl-Flusses, der Tag für Tag ungeheure Mengen von feinem Sand und Schlamm in das Mündungsgebiet hineinwäscht. Die Anlage eines Umschlaghafens von Weltrang in Macao erfordert daher Baggeroperationen und Bauvorhaben größten Ausmaßes und sogar die Anlage riesengroßer Entschlammungsbassins entlang des sich an das Mündungsgebiet anschließenden Unterlaufes des Pearl- Flusses. Außerdem verlangt das Projekt die Anlage von Dämmen und Kanälen für die Zufuhr zusätzlicher großer Wassermengen in den Unterlauf des Flusses, um zusätzliche große Mengen von Sand und Schlamm herauszuschwemmen,

damit auch großen Ozeandampfern die Durchfahrt von Macao nach dem etwa 65 Kilometer entfernten Canton möglich wird.

Auch Fachleute außerhalb Rotchinas halten die Durchführung die-

ser Planungen für durchaus möglich, zweifeln aber an der Rentabilität des gigantischen Vorhabens. Allerdings hat die Erfahrung gezeigt, daß rotchinesische Planungen nicht nur von wirtschaftlichen Erwägungen abhän- gen, sondern auch propagandistische und strategische Ziele haben.

Das eingangs erwähnte rotchinesische Projekt, dessen Vorarbeiten schon in diesem Jahr beginnen sollen, hängt selbstverständlich auch mit der Frage nach der Zukunft der verhältnismäßig nahe gelegenen britischen Kronkolonie Hongkong zusammen. Einerseits ist Peking an der Beibehaltung dieses wichtigen Devisenbringers interessiert, anderseits dienen aber die dort in Gang gesetzten Störmanöver und Sabotageakte der völligen Unterhöhlung des britischen Prestiges in Asien und dem propagandistischen Hausgebrauch.

Nach Mitteilungen von Gewährsmännern soll unter anderen Tschu En-lai in einem privaten Gespräch gesagt haben: „Wenn die Briten in Hongkong ihre Truppenstärke nicht erhöhen und den Amerikanern nicht gestatten, die Kronkolonie als Stützpunkt für militärische Operationen zu benützen, so werden wir auf die vorzeitige .Befreiung“ Hongkongs verzichten.“

Um sich bei allzu massiven Störmanövern übereifriger Rotchinesen von ihrem Gehaben distanzieren zu können, ist man seit einiger Zeit in Peking dazu übergegangen, die Lenkung von Sabotageakten und Übergriffen in Hongkong in die Hände rotchinesischer Instanzen in Kanton zu legen, für deren Eingriffe dann Peking nach Belieben die Verantwortung der Zentralregierung abzustreiten in der Lage ist.

All dies ist wohl in den bestinformierten Unternehmerkreisen in Hongkong bekannt. Daher fühlen sich jetzt die führenden Wirtschaftskreise der Kronkolonie etwas weniger bedroht, wenn es auch einige Unternehmer trotzdem für ratsam halten, ihre Betriebe mehr oder weniger unauffällig so umzugestalten, daß sie im Notfall in wenigen Tagen ausgeräumt und auf Schiffe verladen werden können. Unter anderen ist aber auch das Hongkon- ger Bankensystem völlig intakt geblieben.

„Herr im Haus“

Die Umgestaltung Macaos in einen Umschlaghafen von Weltbedeutung dürfte Rotchina den beachtlichen Vorteil bieten, daß es dort — im Gegensatz zu Hongkong — trotz der nominellen Beibehaltung der portugiesischen Souveränität praktisch „Herr im eigenen Haus“ geworden ist. Es wehen ja schon heute in Macao auf großen Gebäuden oft ganz offen und ungeniert die Fahnen der Chinesischen Volksrepublik.

Nach weiteren Angaben von Gewährsmännern hat die Kapitalsflucht sowohl aus Macao wie aus Hongkong einigermaßen nachgelassen. Nur ein nicht allzusehr ins Gewicht fallender Teil der Auslandschinesen ist noch immer vorsichtig und mißtrauisch, denn nach jetzt vorliegenden Berichten aus Nationalchina haben in Taiwan die zusätzlichen Investitionen der in Hongkong und Macao lebenden Auslandschinesen im Laufe der erstenzehn Monate dieses Jahres auf etwa das Zweieinhalbfache zugenommen. Nach den jüngsten Berichten betragen derzeit die neuhinzukommenden Investitionen dieser Auslands- chinesen in Taiwan etwa eineinhalb Millionen amerikanischer Dollar im Monat.

Nach Berichten gutinformierter Gewährsmänner ist es wahrscheinlich, daß jetzt Rotchina auch die Umwandlung Hongkongs in ein „zweites Macao“ anstrebt. Der Gouverneur von Hongkong hat selbst erklärt, daß Rotchina beabsichtige, „to do another Macao on aus“. Auch für die Einschätzung der Zukunftsaussichten Hongkongs verdienen die Vorgänge in Macao besondere Beachtung.

Das Abenteuer des Bischofs

Als sich der Bischof von Macao weigerte, in den katholischen Schulen seiner Diözese eine politische Betätigung im maotischen Sinne zuzulassen, stürmten etwa 300 jugendliche Kommunisten seine Amtsräume und erklärten, sie würden den Bischof gefangenhalten und verhungern lassen, wenn er ihren Forderungen nicht nachkomme. Glücklicherweise befand sich der Bischof zur Zeit des Überfalles in dem hinter dem Gebäude liegenden Garten. Er konnte unbemerkt durch eine Gartentür entfliehen und betete in der nahegelegenen Kirche, während die Eindringlinge, ohne sein Entkommen zu ahnen, alle Ausgänge aus seinem Amtsgebäude besetzt hielten.

Seit der maotischen Machtvergrößerung in Macao ist dort der Touristenstrom, der früher Geld ins Land brachte, praktisch zum Stillstand gekommen. Dies und einige andere wirtschaftliche Rückschläge haben Rotchina sogar unter Chinesen, die früher Peking gegenüber zumindest eine neutrale Haltung einnahmen, unbeliebt gemacht, obwohl sie sich hüten, ihren Unwillen öffentlich zu bekunden.

Düsterer Ausblick

Die portugiesischen Behörden fühlen den massiven Druck des benachbarten China und befleißigen sich im Widerstand gegen den gefährlichen Nachbarn großer Zurückhaltung. Der Präsident der nationalchinesischen Flüchtlingsorganisation in Taipei, Ku Cheng- kang, bat die Regierung in Macao, zwölf um die Jahreswende nach Macao geflohene Chinesen nicht an Rotchina auszuliefern. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß das Prinzip der Nichtrepatriierung, wie es in der UN-Vereinbarung über den Status von Flüchtlingen vom Jahre 1951 niedergelegt wurde, respektiert werde, und daß man den Flüchtlingen ihrem eigenen Wunsch gemäß die Weiterreise nach Taiwan erlauben werde. Trotzdem wurden die Flüchtlinge im Jänner 1968 an Rotchina ausgeliefert.

Es ist kein Wunder, daß die Zukunftsaussichten in Südostasien von vielen Auslandschinesen als düster angesehen werden. Ihr Pessimismus erstreckt sich auf die Beurteilung der Lage- nicht nur in Macao, sondern auch in Hongkong, wo nunmehr von kommunistischer Seite ein 25-Punkte-Programm zur allmählichen effektiven Machtgewinnung unter nomineller Beibehaltung der britischen Hoheitsrechte ausgearbeitet wurde, aber Attentate und Sabotageakte schrittweise durch eine neue „wirtschaftliche, politische und kulturelle Offensive“ ersetzt werden sollen. Und sowohl in Macao wie in Hongkong leistet der bevorstehende Rückzug Englands aus anderen östlichen Positionen und der damit verbundene Prestigeverlust den rotchinesischen Zugriffen Vorschub.

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