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Rätselraten um Portugals letzte Uberseeprovinz

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„Wir haben 400 Jahre lang auf Sie gewartet”, verkündet ein Touristenprospekt aus Macao. Das hört sich munterer an als das Orakel mancher Asienbeobachter, Macaos Tage als portugiesische Provinz seien gezählt. Nach dem Kollaps des lusitanischen Reiches in Afrika und Asien ist nur noch Macao an der Küste Chinas übriggeblieben. Schon immer hatte man sich gewundert, daß Peking diesen nur 16 Quadratkilometer großen portugiesischen Restposten duldete. „Macao läßt sich nicht verteidigen”, so wird gesagt, „es könnte in einer halben Stunde von den Rotchinesen überrannt werden”.

Statt der Maoisten kommen aber Touristen, viele nur für einen Tag. Rund eine halbe Million sind es in jedem Jahr - die Chinesen aus Hongkong, die Macao an Wochenenden überlaufen, nicht mitgerechnet. Macao lebt vorwiegend vom Tourismus und vom Glücksspiel, außerdem von einer Kleinindustrie, die Textilien, Möbel, Zigaretten, Streichhölzer, Parfüms und Spielzeug herstellt. 97 Prozent seiner 250.000 Bewohner sind Chinesen. Rund ein Drittel der 8000 Portugiesen und Mischlinge waren bei den portugiesischen Parlamentswahlen im Frühjahr 1976 stimmberechtigt. Nur 26 von ihnen votierten für die Kommunisten.

Wer Macao von früheren Besuchen her kennt, ist erstaunt über die Neubauten, die zwischen den alten Häusern entstanden sind, insbesondere über eine kilometerlange Bogenbrük- ke, die von der dichtbesiedelten Halbinsel Macao zu den beiden Eilanden Taipa und Coloane führt. Sind die chinesischen Kapitalisten aus Hongkong und die Japaner, die in Macao den Bau neuer Hotels und moderner Geschäfte finanzieren, von allen guten Geistern verlassen? An einigen der schönen Inselstrände ist man nur einen Steinwürf vom chinesischen Festland entfernt. Man blickt ąuf die weitausschwingenden, menschenleeren Strände der Gegenseite, man’ sieht Dschunken und Fischerboote vorüberfahren - und glaubt sich fern aller Politik.

Die Beziehungen Macaos zu Peking nimmt nicht sosehr der portugiesische Gouverneur als vielmehr die Chinesische Handelskammer von Macao wahr. Neben der kommunistischen „Bank of China” gibt es einige Läden, die Mao-Bibeln, maoistische Traktate, Schallplatten und Plaketten feilhalten. Schon unter Caetano genossen die Kommunisten in Macao Agitationsfreiheit. Heimlich werden sie sich wohl denken, daß hier von Ausbeutung keine Rede sein kann. Macao ist für Portugal eine Zuschußprovinz.

Zu den vielen Ondits Macaos gehören auch phantastische Geschichten über Opium-, Alkohol- und Waffenschmuggel. Nirgendwo findet der Reisende seine Vorstellungen vom geheimnisvollen Orient so sehr bestätigt wie in den winkligen Gassen und halbdunklen Teestuben Macaos.

Macao ist der älteste europäische Stützpunkt in Femost Dreißig Jahre nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus hatten portugiesische Seefahrer die Küste jenes legendären Landes erkundet, das sie Cathay nannten. An der Mündung des Kanton- Flusses fanden sie eine günstig gelegene Halbinsel, aber erst 1557, nachdem sich ihre Galleonen im Kampf gegen Küstenpiraten bewährt hatten, wurde ihnen Macao von der Pekinger Regierung vertraglich zugesprochen. Die Bewohner Macaos leben nun in der Hoffnung, daß die Pekinger Führer den vor mehr als vierhundert Jahren geschlossenen Vertrag weiterhin respektieren.

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