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Paladine eines neuen Heldenliedes

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Entgegen vielen französischen „Linkskatholiken“ versteht der Autor, der eindeutig die Position der Arbeiterpriester einnimmt, das „Nein“ Roms zur Präsenz der Arbeiterpriester im proletarischen Milieu nicht als Proklamation eines „kapitalistischen“ Standpunktes. Trotzdem weiß er sich mit der Haltung Roms nicht in allem eins. Die Arbeiterpriester sind ihm nicht Angehörige einer Institution, sondern Angehörige einer spontanen Aktion, Paladine eines neuen Heldenliedes, des der Nächstenliebe. Keineswegs waren sie etwa Partisanen des Kommunismus im katholischen Bereich, wie das großbürgerliche, sattchristliche Frankreich glaubte und in seinen Denunziationen behauptete. Im Gegenteil: die Kommunisten erkannten, daß ihnen von den Arbeiterpriestern eher Gefahr drohe als von den feisten Reaktionären, die bemüht waren und sind, eine ausbeuterische Gesellschaftsordnung zu konservieren. Für den Kommunismus waren die Arbeiterpriester selbstverständlich — ein Beweis ihres primitiv-dürftigen Wortschatzes — „Diener des westlichen Imperiums“, während sie doch nur Diener ihres Imperialismus zu dulden geneigt sind.

Das Sensationelle bei den Arbeiterpriestern war nicht ihr Denken, das durchaus orthodox im positiven Sinn der Grundsatztreue geblieben war, sondern ihre pastorale Methode. Sie meinten, es sei notwendig, nicht allein die Welt in den Menschenseelen-, zu wandeln, sondern die Welt als ein Ganzes* auch in ihren geiellschaftlichen Strukturen. Zu diesem Zweck gingen sie in der Welt auf, in einer männlichen, lebendigen Konfrontation der Wahrheit mit der Wirklichkeit der Arbeitswelt. Ihr Aufgehen in der Welt ging so weit, daß sie sich zur Teilnahme an Demonstrationen gegen den US-General Ridgway hinreißen ließen und so eine falsche, weil unnütze Solidarität bekundeten. Ungefähr 95 Prozent der Arbeiterpriester waren jedenfalls Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaften.

Schließlich — und das muß der Verfasser zugeben — nahm die Bewegung einen laizistischen Charakter an, glitt in das Profane ab und führte dazu, daß die Arbeiterpriester nur noch Arbeiter waren. Nicht mehr. Aehnliches kann man freilich zuweilen auch bei anderen Priestern feststellen, die ein Hobby oder eine nichtpriesterliche Tätigkeit derart ausbauen (wie früher die politische), daß das Priesterliche kaum mehr als ein Relikt ist.

Der Verfasser sieht die Erfolge des Experiments anders als die Kritiker der Aktion. Daher meint er: Die Arbeiterpriester ausschalten, heißt die Mission, die sie geführt haben, liquidieren. Die Arbeiter nahmen schließlich den Priester, wie Collonge meint, um seines Priestertums in ihrer Mitte auf; und damit die Kirche. Verschwinden die Arbeiterpriester aus dem Arbeitermilieu, so weicht die Kirche aus dem Leben der Arbeiter.

Nun will aber die Kirche in Frankreich das Experiment, welchen Charakter der Einsatz der Arbeiterpriester stets haben wird, fortsetzen, weil die Auseinandersetzung der Kirche mit der Welt bleiben wird, „solange die Geschichte-währt“.

Ein erregendes Buch, das man freilich mit einer kritischen Anteilnahme lesen und vom Anliegen des Autors her verstehen muß.

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