Verkauft's mei G'wand, i fahr' in'n Himmel!

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Ludwig Laher widmet den letzten Teil seiner Trilogie über vergessene Künstler dem Schriftsteller Ferdinand Sauter.

Im Leben Ferdinand Sauters war nichts gewöhnlich. Wie kommt ein scharfsinniger, sarkastischer und bisweilen zynischer Dichter, der politisch denkt, mit dem verspitzelten Metternichstaat zurecht? Ludwig Laher erzählt in seiner Romanbiografie folgende Episode: Sauter wandert mit Freunden auf den Schneeberg und trägt sich mit einem provokanten Gedicht ins Gipfelbuch ein, das er mit einem Selbstporträt verziert. Selbstverständlich hat das ein beflissener Hofrat zur Anzeige gebracht. Sauter erklimmt den Berg noch einmal, reißt das Blatt heraus und gibt es einem Freund zur Verwahrung.

Amikales Verhältnis

Die Komplexität dieser widersprüchlichen und schwierigen Persönlichkeit kartografiert Laher entlang wichtiger Wegkerben, indem er ihm samt manchmal bemühtem Jargon in seine Gedankenräume und Dehnungen und Biegungen seines Lebens folgt, ohne Rücksicht auf Tabuzonen, und zwar bis in die finstersten Winkel von Lust und sentimentaler Verstrickung. Immer ist ein Sauterscher Text Ausgangspunkt für Lahers Erzählen, in das er die Reflexion des poetischen (Mehr)werts dieser Lyrik webt. Das geschieht sehr persönlich; nicht nur, weil er Sauter direkt anspricht und dessen Verse und Gedanken liebevoll kommentiert in die heutige Zeit hineinwachsen lässt, sondern auch, weil er im Schreiben ein nachgerade amikales Verhältnis zu ihm entstehen lässt. Es kulminiert in einer imaginären Wirtshausbegegnung mit dem "Sauterverdurster" beim Slibowitz. An seinem unregelmäßigen Leben lässt Sauter nicht kratzen. "Spontan ist er abends prinzipiell nur bei sich draußen. Alles klar? Nicht ganz. Was, lieber Sauter, sind denn Stranzen? Das Wort kennen wir nicht mehr. Is eh besser so. Dann gute Unterhaltung und die besten Wünsche zum Namenstag."

Antibiedermeierlich

Die Umstände zwingen Sauter zu einem antibiedermeierlichen Nomadenleben. Außer Stiefelknecht und langröhriger Kaffeehauspfeife nennt er kaum etwas sein eigen. Kaufhaus, Parkbank, Wirtshaus oder Büro - er arbeitet in der "Kanzlei der k.k. privilegierten ersten österreichischen Versicherungsgesellschaft"-, mutieren zum Arbeitsfeld. Und natürlich sind seine Texte auch politisch unterspült. 1848 fühlt er mit den Proletariern: "Und ihr müßt noch immer darben, / Euch berührt der Jubel nicht, / Der, beschwingt von deutschen Farben, / Aus der Jugend Kehlen bricht." Obwohl Sauter selten Geld hat, verschenkt er oft gutmütig seine Gedichte. Das Copyright bedeutet ihm nichts, denn er lebt für die Poesie. Man singt seine Gstanzln und kennt seine Vorstadttextintonationen. Seine Sentenzen kursieren als geflügelte Worte: "Verkauft's mei G'wand, i fahr' in'n Himmel!" Es war ihm auch nie daran gelegen, ein Buch zu veröffentlichen. Indes: Sauters Verse bringen es oft auf den Punkt; Lakonie ist die Würze seiner gereimten Alltagserschütterungen. Kurz vor seinem Tod durch die Cholera formuliert er seine Grabschrift: "Viel genossen, viel gelitten / Und das Glück lag in der Mitten. Viel empfunden, nichts erworben, / Froh gelebt und leicht gestorben. / Frag nicht nach der Zahl der Jahre - Kein Kalender ist die Bahre / Und der Mensch im Leichentuch / Bleibt ein zugeklapptes Buch. / Deshalb Wandrer, ziehe weiter, / Denn Verwesung stimmt nicht heiter".

Plastisches Bild

Lahers Buch ist der Versuch, diesem schrulligen Dichter ein Stück Gegenwart zurückzugeben. Berichtigend und sorgfältig kommentierend leuchtet er dazu in sämtliches Sautermaterial, wenn auch am Schluss ein zusammenfassendes Verzeichnis der Quellen interessant wäre. In diesem Roman wächst ein plastisches Bild von einem selbstironischen, räsonierenden Dichter. Aufgeklappt ist das Dokument einer gelungenen Verknüpfung von Authentizität und Fiktion.

Aufgeklappt

Roman von Ludwig Laher

Haymon Verlag, Innsbruck 2003

157 Seiten, geb,. e 16,40

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