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In David Almonds "Feuerschlucker" ist Platz für Wunder und das Unwahrscheinliche.

Keely Bay. Eine kleine Ecke der Welt. Ein Nichts im Vergleich zum Universum. Ein schäbiger Ort, ein Strand voll Kohle an einem Meer voll Kohle." Keely Bay - ein Ort wie jener, in dem auch David Almond aufgewachsen ist; ein Ort am Rand, ein Ort mit Menschen, wie sie in den Erzählungen von David Almond immer wieder vorkommen. Menschen wie in der Erzählung über die "Feuerschlucker", wie Bobby Burns und Mr McNulty.

Kubakrise

Herbst 1962: Die Welt droht an der Konfrontation zwischen Russland und Amerika zu zerbrechen, die "Kubakrise" droht unwiderruflich auf eine atomare Katastrophe zuzusteuern. Unter dem Eindruck dieser äußeren Bedrohung schreibt der elfjährige Bobby Burns die zitierten ersten Zeilen auf ein Blatt Papier, Zeilen, aus denen sich ein Gebet um die Rettung seiner kleinen, unbedeutenden Welt entwickelt. Einer Welt, die seine Kindheit ausgemacht hat. Eine Kindheit, aus der er selber gerade heraus wächst. Denn neben der äußeren Bedrohung durch Krieg und Weltuntergang spitzen sich auch seine innerweltlichen Konflikte zu: Da ist die Krankheit des Vaters; da ist aber auch die ungerechte und brutale Gewalt durch Bobbys Lehrer und seine Rebellion dagegen, für die ihm der Hinauswurf aus der höheren Schule bevorsteht.

Diese vielfältige Bedrohungssituation findet eine Art Personifizierung in der faszinierenden und gleichermaßen erschreckenden Person des Feuerschluckers McNulty, dessen "Welt in Flammen steht", seit ihm der burmesische Krieg mit dem Verstand auch seine Erinnerung geraubt hat. Ausgerechnet dieser Geringste unter allen, der Geschlagene, Verspottete und Vertriebene ist Träger der Metapher des Erlösers - so träumt ihn zuerst Bobby als den, der den Weltenbrand in sich aufnimmt, weil er das Feuer einatmet: "Da hielt das Feuer inne und zog sich zurück." Und so ist die Nacht vor dem befürchteten atomaren Schlagabtausch - die Nacht, in der Menschen auf der ganzen Welt sich versammeln, um anzubeten gegen ein Schicksal, das unaufhaltbar scheint - gleichzeitig die letzte Nacht im Leben des Feuerschluckers. Er aber hat sein Erbe weitergegeben: Bobby und sein Freund haben zuvor - ohnehin vielleicht an einem der letzten Tage - ihre versteckten Aktionen gegen die misshandelnden Lehrer eskalieren lassen, ihren Widerstand aufgedeckt und öffentlich gemacht: "Mein Dad war krank. Die Welt ging womöglich unter. Ich wollte aufstehen und kämpfen, bevor die Dunkelheit über uns hereinbrach."

Poetisch dichte Bilder

David Almond erzählt in prägnanten und kurzen Sätzen, niemals romantisierend fasst er die Welt und das Denken, die Sorgen der einfachen Leute und ihre Träume in poetisch dichte Bilder. Er stattet seine Figuren mit manchmal deftiger Bodenständigkeit aus, verleiht ihnen aber auch eine besondere Sensibilität, die offen hält für andere Wirklichkeiten. Wirklichkeiten, in denen Platz ist für Wunder und für das Unwahrscheinliche, Platz für Feuerschlucker.

Man muss einfach glauben

Almonds Protagonisten sind Kinder, die sich an der Schwelle zum Jugendalter befinden, die gerade dabei sind, ihren Kinderschuhen zu entwachsen, aber noch nicht ihren Spielen.

Sie sind - wie auch Bobby Burns - keine Helden mit großer Geste, eher Anti-Helden, stille Kämpfernaturen, die einen Zugang zu ihren inneren Kraftquellen haben. Und sie haben alle Mädchenfiguren an ihrer Seite, die stark, selbstbewusst, naturverbunden und kreativ sind. So wie Ailsa, die mit Bobby Burns die tiefe Sehnsucht nach einer heileren Welt teilt, seinen Zweifeln aber die pragmatische Überzeugung ihres Handelns entgegenstellt: "Man muss einfach glauben, findest du nicht?", sagte sie. Sonst würde nie was passieren. Nichts, was der Rede wert ist."

Das Feuer geschluckt

Die atomare Katastrophe wird abgewendet, auch Bobby Burns hat im Akt seines Widerstands in der Schule die drohenden Konsequenzen getragen und Verantwortung übernommen. Das Feuer geschluckt. "Was heißt Leben?" Diese Frage - als Hausaufgabe gedacht - durchzieht diese bemerkenswerte Geschichte wie ein roter Faden.

Almond erhält für "Feuerschlucker" am 27. April den 17. Katholischen Kinder-und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz. Die Jury hat das Werk unter 271 eingereichten Büchern aus 50 Verlagen ausgewählt. Ulli und Herbert Günther werden für die Übersetzung mit einem Sonderpreis ausgezeichnet.

Feuerschlucker

Von David Almond

Aus dem Engl. von Ulli und Herbert Günther

Verlag Hanser, München 2005

200 Seiten, geb., e 16,40

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