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Weihnachtsmännliches ...

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Sie ist also wieder mit aller Kraft über uns hereingebrochen: die stiliste Zeit des Jahres. Aniglo-amerikanischer' Kommeraa- Iiismus, gepaart mit deutscher Einfallslosigkeit, ‘ prägen das Bild der Adventzeit. Das Christkind, alpenländischer Gaben- und Freudebringer, wurde vom Weihnachtsmann verdrängt. Nach dem Willen von Werbeagenturen muß dieser, je nach Bedarf, seinen wild wuchernden Bart der Güte deutscher Rasierapparate opfern oder „heuer der glücklichste Weihnachtsmann der Welt“ sein, weil er alle Hausfrauen auf eine Sonderaktion aiufmerksam machen darf. Ebenso hat „der Weihnachtsmann persönlich“ Preise für Seifen, Haarwasser oder auch Alkoholika iedwelcher Fabrikation zu schenken, dann wieder als lebendiger und von Kindern bestaunter Wegweiser in Warenhäusern zu fungieren. Und plötzlich stellte man fest, daß der Weihnachtsmann ja auch ein Mann ist. Folgerichtig drapierte eine deutsche Illustrierte den auf einem Motorrad reitenden und sichtlich im Dienst befindlichen Weihnachtsmann mit einer nackten Blondine. Der allumwogenden Sexwelle ist es zu dan ken, daß der in der Sage als Helfer des Christkindes fungierende Weihnachtsmann Eigenleben als Sexprotz entwickelt.

Waren jedwelcher Art werden mit Stanniol, Tannenzweigen und künstlichem Schnee drapiert, „auf weihnachtlich getrimmt“. Der Konsument, von Terminen geplagt und in einen Konsumations-Boom gedrängt, beginnt kritik- und wahllos zu kaufen.

Das Konsumieren wird auch wirklich sehr leicht gemacht, denn Kredit- büras verlocken mit dem Slogan „Kaufen Sie jetzt, zahlen Sie im Jänner“ weit über die individuellen Grenzen finanzieller Kraft zu schenken.

Obwohl Schenken bekanntlich seliger macht denn Nehmen, sind viele Gaben Ausdruck persönlicher unerfüllter Wünsche. Augenfällig wird das, wenn man bedenkt, welche Geschenke die Kinder beglücken sollen. Angefangen von der putzigen Mondlandefähre über den für jedes Kind unentbehrlichen und mit technischer Raffinesse ausgestatteten Astronautenanzug bis zum Kriegsspielzeug wird alles „beschert“. Das heiß bekämpfte und ob seiner Gefährlichkeit zu Recht verdammte Kriegsspielzeug feiert in immer minutiöser werdender Nachbildung fröhliche Urständ. Obwohl Pädago gen und Psychologen seit langem schon „pädagogisches Spielzeug“, das der jeweiligen Altersstufe adäquat ist, fordern, werden nach wie vor knatternde Maschinenpistolen, rasselnde Panzer vertrieben und gekauft.

Vor allem im Geschäftsleben ist das Weihnachtsfest zu einem sinnentleerten Datum knapp vor Jahresabschluß geworden. Man schenkt nicht, um einfach Freuidie ziu bereitem, sondern der erhofften geschäftlichen Vorteile wegen. Treffendes Beispiel geschäftlichen Eigennutzes und kommerzieller Schnoddrigkeit sind jene Weihnächte" und Neujahrswünsche, die Geschäftsleute an „unsere .treuen Stammkunden“ richten.

Es wird heuer noch toller sein als im Vorjahr: Nach glücklicher Überwindung des Karpflenengpassies, nach Sorgen uim das rechtzeitige Eämlan- gen deT Geflügelikontingente, nach Beglückung durch kommunale Weiih- nachitsbäume, nach der pflichtgemäßen Erfüllung aller Termine und Geschenktouren (zuletzt, um den mit der Verkehrsregelung betrauten Polizisten auch im kommenden Jahr geneigt zu erhalten), eilt man erschöpft nach Hause, um im Kreise seiner Lieben zu bescheren. Untermalt, je nach Geschmack — von Heintje oder Torriani. Die Schnulze hat uns ganz. Die Tränen fließen...

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