Bacska-Rhapsodie

Gustav G. Braun, der vor einigen Monaten das 70. Lebensjahr vollendete, wirkte als Publizist, Rundfunkmann und Bankexperte im In- und Ausland. Als Autor formal und gedanklich ausgewogener Lyrik wurzelt er in einer echten, unversehrten Humanitas und in einem der Spätromantik verpflichteten Naturgefühl. Sein erstes Prosawerk, der Roman „Wenn die Flut sich verläuft“, führt in ein ungarisches Bäcskadorf und in das Wien der zwanziger und dreißiger Jahre. Er- zsebet, die Frau des Schmieds, ver läßt ihren trunksüchtigen, haltlosen Mann und folgt mit ihren Kindern einem Jugendfreund, der in Wien ein kleines Geschäft betreibt. Stehen im ersten Teil der Handlung die Einzelschicksale Erzsebets und ihrer heranwachsenden Tochter Ilona im Vordergrund, so spielen im weiteren Verlauf notwendigerweise die politischen Ereignisse der problematischen Dekade zwischen 1930 und 1940 entscheidend ins Geschehen. Der Roman endet mit dem deutschen Bombenangriff auf Belgrad und Ilonas Flucht in eine freilich ungewisse Freiheit an der Seite eines angesehenen serbischen Arztes.

Mit belletristischem Geschick und sicherem Gefühl für den Handlungsaufbau geschrieben, erweist dieses Buch auch Brauns genaue persönliche Kenntnis der geschilderten Schauplätze: Er lebte lange Zeit in Jugoslawien. Der Autor beschränkt sich auf verhältnismäßig wenige Personen, deren Charaktere er plastisch zu zeichnen weiß, besonders einprägsam ist die Gestalt des Pfarrers, dem es zufällt, im Bäcskadorf die Schuld der „Verworfenen“ und die Hoffart der „Gerechten“ nach Gottes und der Men schen Maß zu messen. Was dem Roman an Tiefgang fehlt, macht Braun durch lebendiges, spannendes Erzählen wett. Somit erscheint „Wenn die Flut sich verläuft“ als Lektüre, die keinen Anspruch auf streng literarische Wertung erhebt, sondern breite Schichten von Romanlesern ansprechen will. Bei diesen wird das Buch sicherlich Anklang finden.