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Eine neue Wilde-Biographie

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Das ungewöhnliche Leben des Oscar Wilde. Von Erich Ebermayer. Athenäum-Verlag, Bonn. 324 Seiten, 8 Abbildungen. Preis DM 14.—

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Das ungewöhnliche Leben des Oscar Wilde. Von Erich Ebermayer. Athenäum-Verlag, Bonn. 324 Seiten, 8 Abbildungen. Preis DM 14.—

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Gerade recht zum 100. Geburtstag Oscar Wildes erschien dieses Buch, seit geraumer Zeit wohl die erste größere deutsche Veröffentlichung über den englischen Dichter. Ein wahrhaft ungewöhnliches Leben, dessen Kurve steil emporsteigt zu Glanz und Erfolg, um plötzlich in das Dunkel des Leides und der Verfemtheit abzusinken. Ebermayer, der bekannte deutsche Romanschriftsteller, hatte, wie es heißt, nicht den Ehrgeiz, eine „wissenschaftliche Biographie“ zu geben. Er erzählt das Schicksal Wildes, des Dichters Und Dandys, in einer Art, die sich oft der Form des Romans nähert. In dem Bestreben nach möglichst lebendiger Vergegenwärtigung des Geschehens haftet er manchmal zu sehr am bloß Anekdotischen. Gewiß, er kann sehr fesselnd erzählen, und sein Buch wird breiteren Leserkreisen die einzigartige Persönlichkeit und das tragische Schicksal Wildes nahebringen. Aber ein Kenner der Biographie des Dichters muß einige kritische Einwände erheben. Ebermayers Hauptquelle ist das interessante und glänzend geschriebene Buch von Frank Harris, der ein persönlicher Freund Wildes war und aus eigener Erinnerung schöpfte. Ein moderner Biograph Wildes, H. Pearson, weist darauf hin, daß die Beichte von Harris zum Teil mit Vorsicht aufzunehmen ist. Ebermayer schließt sich in seiner Darstellung aber eng an Harris an und schildert viele Episoden, so wie dieser sie uns überliefert bat. Hier hat er es sich etwas zu leicht gemacht, denn es hätte auch anderes biographisches Material herangezogen weiden müssen. Im Mittelpunkt des Buches steht die Schilderung der sensationellen Prozesse, auch die letzte Lebenszeit Wildes wird ziemlich ausführlich erzählt, doch die Lebensgeschichte bis zur Katastrophe kommt verhältnismäßig zu kurz. Die unvergleichliche Wirkung Wildes als ein Genie des Gespräches, seine bezaubernde Geistigkeit, die Pearson in seinem Buch auf Grund vieler Berichte von Zeitgenossen so eindrucksvoll dargestellt hat, wird zuwenig herausgestellt. Da Leben und Werk bei Wilde eng zusammenhängen, wäre es notwendig gewesen, auch sein Werk in entsprechender Form zu charakterisieren. Ebermayer begnügt sich mit nur kurzen Hinweisen. Dafür versucht er oft, Wildes Verhalten psychologisch zu deuten, doch sind diese Deutungen manchmal sehr subjektiv. Zu berichtigen ist noch: Wilde nannte sich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis nicht Stefan Melmoth, sondern Sebastian Melmoth. — Unter den Abbildungen, die dem Band beigegeben sind, finden wir zwei wenig bekannte Photos des Dichters.

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