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Geschichten, die man liest

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VOR DEM FRÜHSTÜCK. Von Willa Cather. Benziger-Verlag, Einsiedeln-Zürich-Köln, 1963. 208 Seiten. Preis 12.80 sFr.

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VOR DEM FRÜHSTÜCK. Von Willa Cather. Benziger-Verlag, Einsiedeln-Zürich-Köln, 1963. 208 Seiten. Preis 12.80 sFr.

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Unaufdringlichkeit und Bescheidenheit sind gerade in der Literatur Eigenschaften, mit denen man nicht recht weiterkommt. Einfache Wärme und Beschaulichkeit zeichnen irgendwie nicht aus. Um so bemerkenswerter, wenn doch jemand solche Geschichten schreibt — und sie auch gelesen werden. Willa Cathers Geschichten vollbringen das Unwahrscheinliche.

Diese Geschichten scheinen allein um des Inhaltes willen geschrieben. Wo der Stil zu umständlich ist, geht vom geruhsam Erzählten eine sanfte Rührung aus. Wo einfache Menschen geschildert werden, wo Erlebnisse zum Ausdruck kommen, die sich kaum über das Alltägliche erheben, wo der Alltag eine, wenn auch kleine, neue Dimension erhält, da schadet es nicht allzuviel, da die Schreibweise unkonzentriert und oft unbeholfen ist. Der Inhalt bewegt auf seine stille Art, ganz für sich. Vom Stil bleibt eben abzusehen. Auch gibt es nicht allzuviel Handlung, es passiert nichts.

Das wäre eine eigenartige Beobachtung, wenn man bedenkt, daß in drei von vier Geschichten am Schluß jemand stirbt. Aber hier gibt echte Herzensgute, von der alle« Einfühlungsvermögen ins Leben stammt, das versöhnliche Maß ab. Natur und Menschen — meist handelt es sich um ländliche Szenen — sind innig miteinander verbunden, in allem herrscht eine heitere, schlichte Harmonie, ohne daß die Menschenschicksale auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert würden. Die Welt, in der Nachbar Rosicky oder auch die alte Mrs. Harris (die Hauptfiguren aus zwei Erzählungen) leben, ist bestimmt nicht einfach. Sie ist oft grausam, alle haben viel mitzumachen, es gibt genug Leid. Dagegen läßt sich nichts ausrichten. Wohl aber kann der Mensch durch sittliche Kraft, tätige Liebe, ohne viel Worte von innen her alles Widerwärtige überwinden und sein Glück, seine Art von Vollkommenheit finden. Lehren dieses Kalibers sind nicht aufregend, sie sind nur angenehm zu hören. Doch ist ein herzliches, menschliches Buch viel wert, zudem in einer Zeit, in der sich viele Menschen im Übermaß der Selbstbeschäftigung und Selbstbefangenheit ganz ihrer Substanz entleeren.

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