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Vorspiel zum Meisterwerk

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TAGE DER FREUDEN. Von Marcel Proust. Aus dem Französischen übersetzt von Ernst Weiss. Bibliothek Suhrkamp 164. Suhrkamp-Verlag. Frankfurt/M. 1965. 216 Seiten, 5.80 DM.

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TAGE DER FREUDEN. Von Marcel Proust. Aus dem Französischen übersetzt von Ernst Weiss. Bibliothek Suhrkamp 164. Suhrkamp-Verlag. Frankfurt/M. 1965. 216 Seiten, 5.80 DM.

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Als 1896 Prousts erstes Buch „Tage der Freuden“ erschien, blieb die Resonanz aus. Ähnlich erging es der deutschen Übersetzung von Ernst Weiss, die 1926 herauskam und 1955 ein zweites Mal vom Propyläen-Verlag publiziert wurde.

Nachdem inzwischen eine Gesamtausgabe der Proustschen Romane vorliegt, gewinnt auch das Frühwerk neue Bedeutung, in dem sowohl thematisch, als auch in Bezug auf die Figuren, Grundzüge der „Suche nach der verlorenen Zeit“ vorweggenommen sind. Es ist im Ansatz alles schon da in diesen ersten schriftstellerischen Versuchen: Prousts Leiden am Leben und an der Liebe; das raffinierte Auskosten sinnlicher Lust; die Faszination des Autors von „sträflichen Freuden“, die Trauer und Schwermut nach sich ziehen. Verführung und Laster spielen ihre Rolle in diesen Skizzen und Erzählungen, aber auch die Sehnsucht, sich „der Seele hinzugeben“. „Die Sehnsucht läßt alle Dinge blühen, der Besitz zieht alle Dinge in den Staub“, heißt es einmal. Das Unerreichbare hat von Anbeginn für Proust einen besonderen Reiz gehabt.

Eigene Erlebnisse, die in der „Suche“ wieder auftauchen, finden ihren Niederschlag auch in den frühen Episoden dieses Bandes: die starke Mutterbindung, von der Proust sich Zeit seines Lebens nicht befreien konnte, die er als belastend und beseligend zugleich empfand. In der Geschichte des Freiherrn von Sylvanie spielt das Asthmaleiden eine Rolle, das sein Dasein so schwer beschattete.

Aber es gibt auch die echten Freuden, flüchtiges Beschwören glücklicher Kindheits- und Jugenderinnerungen und hinreißende Naturschilderungen. Es gibt den unvergleichlichen Zusammenklang von Tönen, Farben und Düften; die Fähigkeit, Stimmung und Atmosphäre ganz unmittelbar transparent zu machen: „das Sichtbare in seiner ganzen Fülle“ und „die Ahnung dessen, was die irdischen Augen nicht sehen“, ist eingefangen.

Anatole France meinte in seinem Begleitwort zur französischen Ausgabe von „Tag der Freuden“, Proust habe „etwas von einem lasterhaften Bernhardin de Saint-Pierre und einem unschuldigen Petronius“. Doch ist damit nur eine Seite seines Werkes charakterisiert. Neben der Lust am Morbiden und Abwegigen steht das andere: der Versuch, im Vergänglichen und Vergeblichen das Unvergängliche durchscheinen zu lassen.

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