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14 Spielfilme der „DDR“ wurden im vergangenen Jahr uraufgeführt. Das ist nicht viel, gemessen an der zahlenmäßig umfangreichen westdeutschen Produktion. Es ist auch weniger, als die DEFA, die Monopol-Produktionsfirma der „DDR“, seihst früher jährlich an Novitäten in die Kinos der „DDR“ brachte. 1959 erreichte die Babelsberger Spielfilmproduktion mit 27 Streifen ein Maximum; seit 1963 allerdings blieb es bei jährlichen rund

15 Premieren. Wichtiger als Quantität freilich ist Qualität, doch stand es auch damit 1968 nicht zum besten. Wenn sich auch sonst die Produktion in beiden Teilen Deutschlands schwer vergleichen läßt — das künstlerische Durchschnittsniveau Ist hüben wie drüben gleich bescheiden. Immerhin gelang der DEFA zweimal Beachtliches.

Anfang des Jahres forderte der neueste Film von Konrad Wolf Aufmerksamkeit, die erste Arbeit, mit der dieser international bekannteste Regisseur der DEFA seit dem auch in der Bundesrepublik aufgeführten „Geteilten Himmel“ wieder an die Öffentlichkeit trat. Diesmal hatte sich Wolf wieder seinem bevorzugten Thema zugewandt: der Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Vergangenheit. Sein Film „Ich war 19“ trug stark autobiographische Züge: Er schilderte diie Erlebnisse eines jungen Deutschen, der 1945 aus sowjetischem Exil als Offizier der Roten Armee in seine Heimat zurückkehrt. Bemerkenswert war hier die. illusionslose Darstellung des Kriegsendes, der Verzicht auf Klischees, wie sie sich in der Behandlung dieses Themas gerade dn der „DDR“ lange Zeit behaupteten, indem man spätere historische Erkenntnisse rückprojizierte und Konflikte verharmloste.

Eine ähnlich starke Resonanz in der ostdeutschen Öffentlichkeit — wenn auch nicht so einhellig positiv — fand von den Babelsberger Neuheiten des Jahres 1968 nur noch die Verfilmung von Johannes R. Bechers Roman „Abschied“, auch dies übrigens ein autobiographischer Stoff. Regisseur Egon Günther brachte diese Geschichte einer Jugend im Wilhelminischen Vorkriegsdeutschland sehr modern auf 'die Leinwand — nicht nur was die Form betrifft. Man erlebte die Abkehr eines' Jungen von der eigenen, bürgerlichen Klasse als einen Generationskonflikt, der manche Bezüge zum Heute aufwies. Ein Abschied von gestern auch für Babelsberg, indem man sich hier einmal an Maßstäben orieniterte, wie sie heute in der internationalen Filmkunst gültig sind, während die DEFA sonst meist noch an veralteten ästhetischen Vorstellungen hängt und sich damit in selbstgenügsamem Provinzialismus den Weg zu internationaler Konkurrenzfähigkeit verbaut. Dies hängt freilich auch mit dem offiziellen Standpunkt zusammen, daß man keine Filme für eintasten machen, sondern breite Publikumsschichten erreichen will.

Dem entsprechen starke Konzessionen an den Geschmack des Durchschnittsbesuchers, was sich im DEFA-Angebot des vergangenen Jahres deutlich widerspiegelte. So bemüht man sich immer mehr, das Schau-bedürfhis des Publikums zu befriedigen. Es gab allein drei historische Abenteuerfilme, darunter die seit Wochen mit großem Kassenerfolg laufende 70-mm-Produktion „Hauptmann Florian von der Mühle“.

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