6771530-1969_04_07.jpg
Digital In Arbeit

Das Publikum, das Publikum...

Werbung
Werbung
Werbung

Wie einst in Erich Charells alter UFA-Operette „Der Kongreß tanzt“ mit Liliam Harvey und Willy Fritsch bildet auch hier der Wiener Kongreß von 1815 den geschichtlichen Hintergrund, und für die darum gezimmerte heitere Story mit vielen Verwicklungen und einem Hauch von Sozialkritik hat auch die DEFA ihre zugkräftigsten Publikumslieblinge aufgeboten. Man hofft auf Exporterfolge — sie allein können schließlich die Anstrengungen lohnen, als einziges Land neben der Sowjetunion und den USA-70-mm-Produktionen zu reüssieren, denn in der „DDR“ gibt es vorerst nur zehn für deren Projektion eingerichtete Lichtspieltheater. Besondere Beliebtheit beim Publikum erfreuen sich unter den DEFA-Angeboten auch die Indianerfilme, von denen das „DDR“-Herstel-lungszentrum Babelsberg jedes Jahr einen in die Kinos bringt. Im letzten Jahr hieß er „Spur des Falken“; der nächste — es ist der bisher vierte dieser Serie — ist bereits abgedreht. Mit schöner Regelmäßigkeit produziert man auch alljährlich einen heiteren Musikfilm. 1968 war es „Heißer Sommer“: Liebelei und Eifersucht junger Menschen bei einem Ferienaufenthalt an der Ostsee, choreographisch aufgelockert und von einem Dutzend Schlager umrahmt. Auch die Krimiwelle rollt weiter: in „Heroin“, „Mord am Montag“ und „12 Uhr mittags kommt der Boß“ ging es um Rauschgift- und Goldschmuggel und ein Verbrechen in Westdeutschland.

Ostdeutsche Gegenwart wurde von der DEFA nur unter privaten Aspekten reflektiert: „Leben zu zweit“ und „Wir lassen uns scheiden“ brachten heiter-harmlos Liebes- und Eheprobleme zur Sprache. Die restlichen drei Produktionen des Babelsberger Spielfilmstudios im vergangenen Jahr gehörten zur Kategorie „Geschichte der Arbeiterklasse“, „Der Mord, der nie verjährt“ rollte noch einmal den Fall des ungesühnten Verbrechens an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg auf, „Die Nacht im Grenzwald“ war ein mäßiger Jugendfilm über eine Episode aus dem Widerstandskampf gegen die Nazis, und als mißglückt bezeichnen muß man auch das anspruchsvolle Projekt einer Verfilmung des Romans „Die Toten bleiben jung“ von Anna Seghers. Zum drittenmal gelangte damit ein Werk der heute 68jährig in Ost-Berlin lebenden Dichterin auf die Leinwand, nach „Der Aufstand der Fischer von St. Barbara“, 1934 von Erwin Piscator in der Sowjetunion, und „Das siebte Kreuz“, zehn Jahre später von Fred Zinnemann in Hollywood verfilmt. Regisseur von „Die Toten bleiben jung“ war jetzt Joachim Kunert, im Westen bekannt geworden durch seinen unlängst auch im Britischen Fernsehen ausgestrahlten Film „Die Abenteuer des Werner Holt“. Er und seine Mitarbeiter mußten bei der Leinwandadaption des von Anna Seghers gezeichneten großen deutschen Zeit-und Gesellschaftspanoramas der Jahre 1918 bis 1945 wohl unvermeidlich am Stoff scheitern, weil sie die Treue gegenüber der literarischen Vorlage über die dramaturgische Notwendigkeit des Verzichts auf zumindest einige der vielen Handluhgs-linien stellten. Was dem „literarischen“' Film niemals gut bekommen ist. :>:■';■'•■;'-•:• Ä

Künstlerisch ließ die DEFA also, im vergangenen Jahr viele Wünsche offen. 1969 steht für Babelsberg im Zeichen des 20. Jahrestages der „DDR“-Gründung. Als Beiträg hierfür sind einige Projekte in Arbeit, mit denen die Forderung der Partei nach sozialistischen Gegenwartsfilmen erfüllt werden soll. Mit welchem Ergebnis, bleibt abzuwarten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung