Zufall, schicksalshaft

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Markus Werners Roman "Am Hang" lässt zwei Fremde sich gefährlich nahe kommen beim nächtelangen Gespräch über die Liebe und die Welt.

Wer kennt das nicht: eine Zufallsbekanntschaft, im Zug, im Hotel, irgendwo unterwegs, man kommt ins Reden, es wird persönlich, man tauscht Geschichten aus, Weltanschauungen, formuliert die eigene Sicht der Dinge vor sich selbst und vor einem Fremden, präziser vielleicht sogar, als es sich im vertrauten Gespräch mit Freunden ergibt. Und erstaunlich intim.

"Am Hang", Markus Werners nunmehr siebter Roman erzählt von einer solchen Begegnung zweier - wie sich im Laufe ihrer immer mehr in die Tiefe gehenden Gespräche herausstellt - sehr ungleicher Männer. Der eine liebt das Leben und lebt es leicht, in jeder Hinsicht. Er nimmt sich, was und wen er kriegen kann, flüchtet in die Unabhängigkeit allein, keine Beziehung kann ihn halten, in den Affären geht es nur um Spaß und Sex.

Der andere, beinahe Misanthrop, lässt an nichts ein gutes Haar, er hasst die Welt, ihn nerven ihre Moden, den Zeitgeist mag er nicht und die gute alte Zeit war auch nicht besser. Doch die Liebe ist ihm heilig, er verliert sich in den Tiefen der Gefühle und nagt schwer am Verlust seiner Frau.

Auf einer Hotelterrasse im Tessin lässt Markus Werner diese unterschiedlichen Lebensentwürfe aufeinander prallen. Zwei Abende hintereinander verbringen der junge Scheidungsanwalt Clarin und der schwermütige Loos miteinander, sinnieren und disputieren bis tief in die Nacht und erzählen Geschichten aus ihrem Leben. Vor allem aus dem Liebesleben. Und am Ende stellt sich heraus, dass die beiden viel mehr gemeinsam haben, als man vermuten würde.

Mit "Am Hang" ist Markus Werner, der völlig zu Recht als einer der wichtigsten und bekanntesten Autoren der Schweizer Gegenwartsliteratur gilt, wieder einmal ein Roman zum Verschlingen gelungen. Eine Sozialstudie, ein Buch über Liebe und Liebelei, über Moral und Vergnügen, Generationen und Konflikte, Prinzipien und Interpretationen, Zufall und Schicksal, ein Buch der Alltagsphilosophie, das in keinem Satz geschwätzig wird. Ein Kunststück, zumal die beiden Protagonisten nichts anderes tun als vom Anfang bis fast zum überraschenden Ende miteinander zu schwatzen. Oder eigentlich nicht: Schwatzen bleibt an der Oberfläche, diese Unterhaltung aber fesselt die Gesprächpartner zusehends aneinander und den Leser an den Roman, der laufend an Dynamik gewinnt und an - schließlich sogar kriminalistischer - Spannung. Denn: Zufallsbekanntschaften entstehen nicht immer ganz so zufällig wie sie zunächst scheinen.

AM HANG

Roman von Markus Werner

S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main

190 Seiten, geb., e 18,50

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