"Du bist nicht allein"

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Mit dieser Maxime wirbt der größte deutsche Privatsender für seine Live-Show aus dem Wohncontainer, in dem die Banalitäten und Grausamkeiten der Gruppendynamik in einer geschlossenen Gesellschaft durchgespielt werden. Die westliche Fernsehkultur hat mit "Big Brother", dem täglich drei Millionen deutsche Zuseher folgen, einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Sendung, in den Niederlanden entwickelt, bedient in perfekter Weise die Inhaltsleere und Ziellosigkeit einer Gesellschaft, deren Wohlstand zwar gefährdet ist, aber immer noch ausreicht, Vernunft und Kritik zu ersticken. Die Stimme der Vernunft ist, wie Sigmund Freud argwöhnte, leise, noch nie aber war die Stimme der Unvernunft so laut wie in der aktuellen Fernseh-"Kultur".

Aus dem Medium, das vor 50 Jahren seinen Siegeszug unter dem Motto antrat, jeden Zuschauer jederzeit an den fernsten Ort der Welt versetzen zu können, ist ein Instrument der Nabelbeschau und der Beschau sonstiger Körperteile geworden (für Stars gelten Ausnahmen - Frau Feldbusch hat sich die Kamera am Klo verbeten). Dass diese Entwicklung mit dem Beginn eines neuen Jahrhunderts zusammenfällt, lässt für dieses Jahrhundert keine allzu große Hoffnung aufkommen, Voyeurismus und Lust am banalsten Schwachsinn waren noch nie Indizien für einen geistigen Aufbruch. Dabei ist "Big Brother" nur der Anfang - schon laufen in den USA und Großbritannien Vorbereitungen für Überlebensspiele auf fernen Inseln, dass sich in Schweden ein Kandidat nach dem Ausscheiden umbrachte, hat niemanden gestört.

Der Orwell'sche "Big Brother" ist nicht in der Politik, sondern im größten Massenmedium Wirklichkeit geworden - eine Farce der Geschichte: Die Medien, geschaffen, um Politik zu kontrollieren, haben der Politik längst ihre Gesetze aufgezwungen, nun sind sie dabei, den Bürgersinn zu zerstören. Muss diese Art von Show weitergehen? Sollten sich nicht die kritischen Stimmen zusammentun, um dem medialen Voyeurismus und der Brutalisierung der Gesellschaft Einhalt zu gebieten?

Trautl Brandstaller ist ORF-Journalistin und Dokumentarfilmerin.

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