Eruptionen der Seele

Werbung
Werbung
Werbung

Julianne Moore, Meryl Streep und Nicole Kidman, die für ihre Leistung den Oscar als "beste Hauptdarstellerin" erhielt, brillieren in Stephen Daldrys grandiosem Drama "The Hours".

Schicksale, so lehrt uns die Geschichte, sind überall auf der Welt die gleichen, egal, ob es sich um eine Frau aus dem England des beginnenden 20. Jahrhunderts handelt oder um eine aus dem zeitgenössischen New York. Während jedes Individuum mit seinem eigenen Schicksal hadert, so findet es doch Trost darin, nicht das einzige Wesen zu sein, das dagegen ankämpft. Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Dasselbe Leid teilen sich die drei Hauptfiguren in Stephen Daldrys "The Hours", nach dem gleichnamigen Roman von Michael Cunningham. Doch lassen Nicole Kidman, Julianne Moore und Meryl Streep keine Zweifel daran, dass sie ihr Leid gar nicht teilen wollen. Tief drinnen, in ihren Seelen, wehrt sich ein wildes Tier gegen Reglementierung, gegen Unterdrückung und Verantwortung. Nach außen hin lächeln sie gezwungen - oder versuchen zumindest, ihren inneren Zustand für ihre unmittelbare Umwelt nicht sichtbar werden zu lassen.

Drei Frauen, ein Schicksal

Nicole Kidman in der Rolle der Virginia Woolf: Sie kämpft in einem ruhigen Londoner Vorort 1923 um die ersten Worte ihres Buches "Mrs. Dalloway". Ihre Heldin, die sich wie in einem inneren Gefängnis fühlt, verschmilzt zusehends mit ihr.

Julianne Moore als Hausfrau Laura Brown: In den prüden fünfziger Jahren, als die amerikanischen Vorstädte so bunt waren wie das damals neue Technicolor des Kinos, nimmt sie Woolfs Buch "Mrs. Dalloway" zum Anlass, aus ihrem nach außen hin perfekten Familiengefängnis auszubrechen. Ihre Alternativen heißen entweder Leben oder Tod.

Meryl Streep als moderne Großstadtfrau Clarissa Vaughan: Sie kümmert sich liebevoll um den AIDS-kranken Dichter Richard (Ed Harris), mit dem sie einmal zusammen war und der sie zärtlich "Mrs. Dalloway" nennt. Ihr Tag beginnt wie in Woolfs Buch mit einem Blumeneinkauf - und er endet mit dem Tod.

Drei Geschichten dreier Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, deren Ausweg aus einer von innen kommenden Beklemmung immer der gleiche zu sein scheint. Regisseur Stephen Daldry hat diese Episoden bravourös miteinander verwoben. Er zeigt uns Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, die nur eines wollen: weg! Dabei kann sich Daldry auf eine hervorragende Besetzung verlassen: Nicole Kidman - als Virginia Woolf mit aufgeklebter Nase nahezu unkenntlich gemacht - brilliert als zwischen Leben und Freitod hin- und hergerissene Schriftstellerin. Meryl Streep, die Aktrice mit dem tragisch-weinerlichen Blick, führt vor, wie ihre Figur mehr und mehr an Kraft verliert. Julianne Moore ist die Krone dieses Films: Ihre stille Verzweiflung innerhalb einer "Musterehe" bringt sie mit stoischer Präsenz auf die Leinwand: Jeder kann sehen, wie kurz diese Frau davor ist, zu eruptieren wie ein Vulkan. "The Hours": Ein Ensemble-Film, in dem das Ensemble zeitlich getrennt voneinander agiert - und doch ist es, als wäre das Schicksal selbst universalisiert worden. Grandios!

THE HOURS

USA 2002. Regie: Stephen Daldry. Mit Meryl Streep, Julianne Moore, Nicole Kidman. Verleih: Constantin. 115 Min.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung