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Meryl Streep ist in "Die Eiserne Lady“ an einem weiteren Höhepunkt ihrer unglaublichen Karriere angelangt. Nur eine wie sie kann Margaret Thatcher, Britanniens Premierministerin 1979-90, gerecht werden.

Jeder Medientrainer würde verzweifeln: Eine ganz und gar unvorteilhafte Stimmlage. Das Outfit, nicht zuletzt die Haarpracht, für alle Zeiten out-of-date gestylt. Starrsinn wie Beratungsresistenz legendär und unübertroffen: Wer hätte einen Pfifferling darauf gegeben, dass aus Margaret Hilda Thatcher je eine Person der Zeitgeschichte werden würde?

Doch eben jene Zeitgeschichte beweist: Sie wurde. Und bleibt in der politisch korrekten Erinnerung diejenige, die gegenüber dem keimenden Vereinten Europa des Vereinigten Königreichs splendid isolation setzte. Die die Fratze des Neoliberalismus gesellschaftsfähig und nachhaltig machte. Die das Pfund vor dem Euro rettete. Die nicht einmal einem mitfühlenden, sondern dem ganz und gar eiskalten Konservativismus anhing. Die einen sinnlosen Krieg um ein paar Felsen im Südatlantik anzettelte. Und die sogar - "Wir sind das Volk“ und Mauerfall hin oder her - die deutsche Einheit, wenn sie dazu imstande gewesen wäre, hintangehalten hätte. Warum sollte man ausgerechnet dieser Person ein filmisches Denkmal setzen? Und wenn, warum muss dabei dann noch die fortschreitende Demenz, in der sich die heute 86-jährige Protagonistin befindet, der Ausgangspunkt der Betrachtung sein? Sozusagen ein Königinnenmord auf der Leinwand?

In Großbritannien umstritten

Die Reaktionen aus Britannien bestärken die Voreingenommenheit: Ein Film, der sich an einer geistig Erkrankten vergehe. So die eine Empörung. Ein Streifen, der die Bösartigkeit des Thatcherismus durch und durch verharmlose. So die andere. Man darf zugeben, mit solcher Befangenheit in Phyllida Lloyds Opus "Die Eiserne Lady“ gegangen zu sein und vergessen zu haben, dass britische Filmkunst den ebenso schonungslosen wie empathischen Zugang zu einer Porträtierten längst bereithält: Bekanntlich konnte 2006 Helen Mirren als die Queen in Stephen Frears gleichnamigem Jahrzehnt-Film über die schrecklichen Tage im Hause Windsor nach dem Tod von Lady Di 1997 reüssieren - und den entsprechenden Oscar einheimsen.

So etwas könnte (und sollte!) auch der "Eisernen Lady“ passieren: Diesmal haben sich die Filmemacher hauptrollenmäßig jenseits des Atlantiks bedient - und Meryl Streep, die beste lebende Filmschauspielerin, welche Hollywood zu bieten hat, engagiert. Und zu ihren 16 Oscar-Nominierungen kommt die nächste hinzu - den Golden Globe hat diese Mrs. Meryl Thatcher ja bekanntlich schon in der Tasche.

Eine Linke mimt die Parade-Rechte

Streep, die soeben auf der Berlinale den Goldenen Ehrenbären entgegennahm, hat sich via Interviews in diesen Tagen lang und breit erklärt: Dass sie als "typische Ostküstenliberale“ (© Der Spiegel) Thatcher wie deren Männerfreund Ronald Reagan verabscheut hätte. Und nun das: Ausgerechnet diese amerikanische "Linke“ spielt die britische Parade-Rechte. Aber bei allem, was man Lady Thatcher vorwerfen kann: Eine gewichtige politische Gestalt hat höchstgewichtiges Schauspiel verdient.

Genau dieses liefert Meryl Streep denn auch - von der Mimik und Gestik bis zum Akzent, an dem die Amerikanerin zweifelsohne ordentlich gearbeitet hat. Selten vermittelt ein Spielfilm die Anmutung, Zeitgeschichte authentisch zu bebildern und ein öffentliches Leben auch in seiner Privatheit original zu liefern. Solches, um es zu wiederholen, ist eben Helen Mirren im Verein mit Drehbuchautor Peter Morgan und Regisseur Stephen Frears mit "Die Queen“ gelungen. Und genau das tun diesmal drei Frauen nach: Abi Morgans Drehbuch und Phyllidia Lloyds Regie - sowie eben Meryl Streep - legen eine Kongenialität an den Tag, die jedenfalls im laufenden Filmjahr wohl kaum zu überbieten ist.

Natürlich ist es gefährlich, wenn Fiktion mit Dokumentation verwechselt wird. Einem wachen Zuschauer sollte es aber doch zuzumuten sein, zwischen der Imagination des Drehbuchs und der historischen Wirklichkeit zu unterscheiden. Aber kann nicht oft die Fiktion mindestens soviel vom Leben vermitteln, genauer: von diesem Leben, als die bloße Konsumation von Fakten, aufgrund derer Margaret Thatcher ja vornehmlich als gefühllose Exekutorin des Hardcore-Kapitalismus in seiner übelsten Spielart erscheint?

Die Grandezza von Film und Darstellung besteht darin, dass sie die verletzte und verletzliche Frau hinter diesem Eisberg an Politikerin hervorlugen lassen: Es muss nicht alles historisch wahr sein, was Meryl Streep da an Persönlichkeit preisgibt, aber es ist plausibel, dass es so gewesen sein kann.

Und dass nur eine Person, welche sich gegen die Gemeinheiten des männerdominierten Politikbetriebes immun gemacht hat, in selbigem auch bestehen kann.

Sympathisch, nicht diabolisch

Diese Eiserne Lady hat mehr sympathische als diabolische Züge: Man kann Meryl Streep gar nicht genug dafür preisen, dass sie erstere hervorkehrt und nicht den Stahl, der aufgrund des Spitznamens dieser Persönlichkeit zugeschrieben wurde und wird. Nur so ist es im Übrigen auch legitim und zu ertragen, dass dann die Zerbrechlichkeit in der Demenz gezeigt wird - auch die Halluzinationen, in denen der geliebte Gatte Dennis, der schon einige Jahre tot ist (und der von Jim Broadbent der Streep ebenbürtig gemimt wird), noch am Leben sei.

Dass die wirkliche Familie Thatcher über den Film not amused ist, mag man ja verstehen. Aber der Vorwurf, dass der Film die Eiserne Lady viel zu wenig "politisch“ und "allzu menschlich“ präsentiere, befremdet doch einigermaßen.

Man würde sich wundern, sollte Meryl Streep am kommenden Sonntag der - dritte - Oscar verweigert werden. Im Übrigen gehörte sie auch 2006, als Helen Mirren für "Die Queen“ die Trophäe entgegennahm, zu den Nominierten - und zwar für ihre Hauptrolle in "Der Teufel trägt Prada“. Natürlich war auch diese Streep-Performance oscarreif. Diesmal ist ihre Leistung jedoch nicht mehr zu übertreffen.

Die Eiserne Lady (The Iron Lady)

GB 2011. Regie: Phyllida Lloyd. Mit Meryl Streep, Jim Broadbent. Filmladen.

104 Min. Ab 1.3.

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