Die Eiserne Lady und ihre Widersprüche

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Lady Thatcher ist im Alter von 87 Jahren verstorben. Eine große Frau und Politikerin ist tot. Und das 20. Jahrhundert endgültig vorbei.

Als der Autor im Sommer 1984 als jugendlicher Fremdsprachentourist Südengland bereiste, wurde er mit einer Frage konfrontiert, die den 15-jährigen Österreicher nachgerade sprachlos machte : "Was it difficult for you, Martin, to come to England?“ - "No, why ??“ - "Out of the political situation in your home country!“ - "????!“ - "So, you are a socialist country, you are behind the iron courtain …!“

Auf diese Art war nicht nur der Stand des Wissens der Briten (es handelte sich übrigens um ein Lehrerehepaar, das auch dachte, im Westen Österreichs werde Französisch gesprochen !) bloßgestellt, sondern vor allem die Frucht der ersten Thatcher-Jahre geerntet: Wenige Tage zuvor hatte die Premierministerin in einem Interview oder einer Aufsehen erregenden Unterhausrede warnend vom sozialistischen Block innerhalb des europäischen Westens gesprochen, und das SPÖ-FPÖ-regierte Österreich taxfrei mit dazugerechnet. Ein nettes Bonmot, das seine Wirkung allerdings nicht verfehlt, und dem britischen Fußvolk eine harsche Weltsicht vermittelt hatte.

Alles Misstrauen gegen Deutschland

Dreißig Jahre später erzählt mir Asfa-Wossen Asserate, Prinz von Äthiopien und Großneffe Kaiser Haile Selassies von seinem einstigen Zusammentreffen mit Baronesse Thatcher angelegentlich eines Abendessens in London. Der exilierte Prinz wollte der Premierminis-terin das Schicksal seines von den Nachwirkungen der Mengistu-Kommunisten gebeutelten Landes nahebringen, doch Frau Thatcher verweigerte das Tischgespräch, als sie erfuhr, dass der Prinz in Deutschland lebte. Ein "no go“ für die Deutschenhasserin.

Nicht sehr sympathisch? Kann sein, aber trotzdem waren die "Thatcher-Years“ eine wahrhaft "große Zeit“, durchaus im Sinne der Karl Kraus’schen Doppelbödigkeit dieses Begriffs.

Margaret Thatcher wurde am 13. Oktober 1925 in Grantham, Lincolnshire, als Tochter eines methodistischen Kolonialwarenhändlers geboren. Die kleinbürgerliche, radikalprotestantische Attitüde würde auch die Politik prägen, die sie im Verein mit ihrem Freund Ronald Reagan pflegte: Der auf sich allein gestellte, schaffende Mensch als Wirtschaftsfaktor steht im Mittelpunkt einer Raubtierwelt, die ohne soziale Gefühlsduselei auskommt! Streikende Gewerkschafter verspeiste die "Eiserne Lady“ (übrigens ein Attribut, das ihr Radio Moskau verpasst hatte) zum Frühstück. Willkommen in den 1980er Jahren … 1979 bis 1990 war die fleißige Politikerin Premierministerin - ein absolutes Novum, denn nicht nur die Tatsache ihrer Weiblichkeit, sondern ihre kleinbürgerliche Herkunft ließen sie in der britischen Politik als Exotin erscheinen.

Sie privatisierte in der Tradition presbyterianisch-calvinistischer Weltanschauung zentrale Bereiche öffentlichen Gutes. Wer die Trümmer des britischen Sozialsys-tems genießt, möge eine Gedenkminute für sie einlegen …

Die Politik des "Money Back“

Gemeinsam mit Reagan und Papst Johannes Paul II. brachte sie den Kommunismus zu Fall und versuchte die deutsche Einigung zu verhindern. Ein aus dem Zweiten Weltkrieg herübergerettetes Ressentiment, und ein Trugschluss der sonst so beinhart realpolitisch agierenden Lady.

Grundsätzliche Probleme hatte die Patriotin auch mit der Europäisierung ihres Heimatlandes . Ihr "I want my money back!“ klingt in seiner insularen Widerborstigkeit wie ein Ruf an die EU des 21. Jahrhunderts, das die alte Dame dann in den letzten Jahren nur mehr in geistiger Umnachtung erlebt hat.

Hollywood-Star Meryl Streep, die letztens Thatcher in dem Streifen “Die Eiserne Lady“ gespielt hat, würdigt sie als Pionierin für Frauen in der Politik. Zeitgleich feierten ein paar hundert linksgerichtete Damen und Herren in Londons Straßen das Ableben Thatchers mit Champagner.

Wie sagte ihr Landsmann Gilbert Keith Chesterton vor mehr als hundert Jahren in seinem Buch "Ketzer“ doch sinngemäß: Nur Gültiges und Wirksames kann gelästert werden. Lady Margaret Thatcher war wirksam, und sie ist es noch.

Der Autor ist Historiker, Buchautor und Journalist des ORF

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