Wo ist all das Böse hin?

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Mit der "Rückkehr des Königs" werden im Fantasy-Spektakel "Der Herr der Ringe" die finsteren Mächte ausgelöscht. Für den evangelischen Oberkirchenrat michael bünker ein äußerst beunruhigendes Happy End.

Der König ist zurück, die Trilogie damit zu Ende. Es mag ein Grund zur Freude oder zur Trauer sein: Im Unterschied zu anderen Blockbuster-Sequels ("Matrix", "Terminator") wird es weder einen nachgelieferten vierten Teil noch eine vorgeschobene "Episode 1" geben. Die Verfilmung des Romans "Der Herr der Ringe" von J.R.R. Tolkien ist abgeschlossen. Ein Monsterunternehmen, das viele hundert Millionen gekostet hat und noch mehr (und wohl auch einige Oscars) bringen wird. Peter Jackson, der Regisseur, bearbeitet bereits eine andere Filmbaustelle des Monströsen, nämlich "King Kong".

Der dritte Teil übertrifft die beiden vorigen: Was Tolkien noch für unmöglich gehalten hatte, nämlich seine episch breite Erzählung in die dramatische Form des Films zu bringen, ist überzeugend gelungen. Zu den schon bekannten Vorzügen der Trilogie kommt im letzten Teil eine Dramaturgie, die keine Längen kennt und die in die insgesamt dominierenden perfekten Actionsequenzen ein paar Szenen von feinem Charakterspiel, dann und wann sogar mit Selbstironie und Humor, einbaut. Zu guter Letzt wird Aragorn (Viggo Mortensen) zum König gekrönt und erhält die schöne Arwen (Liv Tyler) zur Frau. Wie im Märchen.

Obwohl der Sieg des Guten über das Böse immer wieder gut tut, frage ich mich nach etwas mehr als drei Stunden doch etwas beunruhigt: Wo ist jetzt all das Böse hin? Es ist von irgendwo da draußen gekommen und wird am Schluss einfach von der Erde verschlungen. Sein versucherischer Einfluss auf Menschen und Hobbits war groß, zugegeben, aber es hatte eigentlich nicht wirklich etwas mit ihnen zu tun. Es war nicht ihr Böses, weshalb sie auch nicht Anteil hatten am "Drama der Freiheit" (Rüdiger Safranski), zu dem das Böse wird.

Das ist sehr bequem: Wie in vielen anderen Filmen seit den achtziger Jahren kommt die Bedrohung des Lebens auf der Erde von irgendwo da draußen. Dass die Vernichtung des Lebens aber weitgehend Menschenwerk sein wird, bleibt in diesem Bild völlig ausgeklammert. So lässt sich auf das Reich des bösen Sauron und seine unzähligen Kreaturen (allesamt wie gewohnt "schiach", aber im dritten Teil wenigstens in Ansätzen der Sprache mächtig) bequem projizieren, was das Zeug hält. Reagierte Tolkien in den fünfziger Jahren auf Hitler? Oder auf Stalin? Heute ist von Saddam und der "Achse des Bösen" die Rede, und ebenso schwierig wie für Bush und Blair ist es für Aragorn und Gandalf (Ian McKellen), eine Koalition für ihren Kampf gegen die Macht der Finsternis zu bilden. Wenig überraschend erhält der Krieg seine höheren Weihen durch eine besondere Opferideologie. Um Frodo (Elijah Wood) und Sam (Sean Astin) den Weg zum Schicksalsberg und zur Vernichtung des Ringes freizumachen, ist die Koalition der Guten zum aussichtslosen Kampf bereit. Die einzige Wahl, die es gibt, ist die zwischen dem passiven Opfer, dem victim, und der bewussten Hingabe, dem sacrificium. Alternativen zur Gewalt gibt es schlichtweg keine. Die Welt verändert sich nur durch Krieg. Aber halt! Verändert sie sich denn überhaupt? Ein bisschen schon: Während Sam und die übrigen am Schluss mehr oder weniger nahtlos dort anschließen, wo sie zu Beginn waren und sich im Auenland häuslich einrichten, verlässt Frodo mit Gandalf und den letzten Elben recht unmotiviert Mittelerde in Richtung Westen. Das Drama der Freiheit findet damit keine Fortsetzung.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

DER HERR DER RINGE

Die Rückkehr des Königs

The Lord of the Rings III:

The Return of the King

USA/Neuseeland 2003. Regie: Peter Jackson. Mit Elijah Wood, Sir Ian

McKellen, Liv Tyler, Viggo Mortensen, Sean Astin, Cate Blanchett. Verleih: Warner Brothers. 200 Min.

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