Seelenloses Räderwerk

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Das Phänomen "Der Herr der Ringe": Trotz phantastischer Wesen, zweier Türme und eines fanatischen Regisseurs ist der zweite Teil der Trilogie bloß ein überladenes Effektspektakel ohne Seele.

Ein episches Märchen in jeder Hinsicht: Episch seine Ausdehnung auf der überbreiten Leinwand, episch sein gemächlicher Erzählfluss und seine Figuren, deren Handlungsspektren von Heroismus bis zur stoischen Ruhe reichen, episch auch seine Länge von knapp drei Stunden.

"Der Herr der Ringe: Die zwei Türme", der zweite Teil der Trilogie nach den Büchern von J.R.R. Tolkien, kommt nicht in die Kinos: Er wälzt sich dorthin, mit einer Druckwelle davor und einer Flutwelle danach. Alles hier ist übergroß, gigantisch, protzig. Das dunkle, in schalen Farben gehaltene Filmspektakel will keine Geschichte erzählen, sondern ein bloßes Ereignis sein, bei dem es nicht auf die Geschichte ankommt, sondern einzig auf die der Phantasie des Autors und des Regisseurs entsprungene Welt Mittelerde, in der die Optik zählt und nicht das Bedürfnis der Figuren. Es sind seltsame Wesen mit noch seltsameren Verhaltensweisen, die J.R.R. Tolkien für seine Bücher geschaffen hat: Hobbits, Zwerge, unsterbliche Elben, sprechende Bäume, grausige, drachenähnliche Monster und eine kalte, fahle Welt, in der sie alle zusammen, aber meist gegeneinander, leben müssen. Dass einer der Hobbits, Frodo (Elijah Wood), einen Ring besitzt, der eine böse Macht ausstrahlt, und dass er verzweifelt versucht, diesen Ring an einen Ort namens Mordor zu bringen, weil er nur dort vernichtet werden kann, das allein ergibt noch keine Geschichte. Dass es noch andere Hobbits gibt, die sich in einem Wald verirren und von einem der sprechenden Bäume sprichwörtlich aufgegabelt werden, um hernach mit dem Baum einen ausgedehnten Waldspaziergang zu machen, auch nicht. Und dass der böse Herrscher Saruman (Christopher Lee) mit einer Heerschar an kampfeswilligen, stupiden Monstern auf jene Festung zumarschiert, in der sich die letzten netten Menschen verschanzt halten, gehört eigentlich in ein schlechtes Superhelden-Comic. Dass am Ende alle diese Handlungsfetzen in einer großen Schlacht zusammenlaufen, irgendwie zumindest, erfordert die Film-Dramaturgie. Eine richtige Geschichte ist es bis dahin trotzdem noch immer nicht. Aber lächerlich.

Doch was wirklich zählt in "Herr der Ringe: Die zwei Türme" ist das Epos, das Heldengedicht, das Tolkien niedergeschrieben und Regisseur Peter Jackson in Bilder umgesetzt hat. Jackson, der Neuseeländer, der alle drei Teile bereits zwischen 1999 und 2001 abgedreht hat und seither sein Dasein im Schneideraum fristet, ist ein Fanatiker. Einer, dessen gewaltige visuelle Vorstellungskraft in einer Reihe mit der von George Lucas und Steven Spielberg steht und der sich daran erfreut, wenn seine Kreaturen in möglichst bestialischer Weise das Zeitliche segnen oder ganze Staudämme in sich zusammen fallen und Städte mitsamt der Bevölkerung unter sich begraben. Die Lust am Zerstören und selbstredend die Vorstellung einer scharfen (sehr scharfen!) Trennlinie zwischen den Guten und den Bösen sind die Triebfedern für "Der Herr der Ringe: Die zwei Türme". In der finalen Schlachtszene hält Jackson schließlich jedes Detail in faschistoider Ästhetik. Jene Ästhetik, derer sich das Kino schon so oft bedient hat, mit unterschiedlichen Zwecken und zu unterschiedlichen Zeiten.

George Lucas gilt als der Erfinder von "Star Wars", und somit auch als Begründer einer neuen Art, Filme zu Epen zu machen: mehrteilig, überlebensgroß und auch in zwanzig Jahren noch als Spezialedition auf DVD an den Konsumenten zu bringen. Der wahre Erfinder ist aber "Herr der Ringe"-Autor J.R.R. Tolkien, der diese Art der "Nicht-Geschichte" schon lange vor Lucas zu Papier brachte. Er schuf sich eine eigene Welt, die zwar mit dem Menschsein nichts mehr zu tun haben will, aber in der es wie verrückt menschelt: Neid und Hass, Missgunst und Verrat, Liebe und Trennung - all das und mehr macht ein menschliches Leben aus, all das prägt menschliche Züge. Nur: Die Inszenierung dieser Züge ist konstruiert, wirkt an jeder Stelle künstlich und hat weder Seele noch Verstand. Dialoge wirken aufgesagt, abgelesen, Gesten wirken theatralisch, unfilmisch, die Protagonisten machen sich lächerlich.

Wann immer es in Peter Jacksons Verfilmung Details, Großaufnahmen zu sehen gibt, wird klar: Das liegt diesem Regisseur nicht. Seine Fixiertheit besteht darin, die Protagonisten in der großen Masse aufgehen zu lassen. Panorama, Breite, Feuerwerk, Granaten: Dazwischen eine Kamera, die über das Geschehen hinweg fliegt. Und uns zeigt: Alle sind sie nur kleine Rädchen. In einem überdimensionalen Räderwerk. Woher diese Ideologie stammt, ist hinlänglich bekannt.

DER HERR DER RINGE - Die zwei Türme

USA/Neuseeland 2002. Regie: Peter Jackson. Mit Elijah Wood, Sir Ian

McKellen, Liv Tyler, Viggo Mortensen,

Sean Astin, Cate Blanchett, Christopher Lee. Verleih: Warner Brothers. 179 Min.

Peter Jackson

Der 1961 geborene Neuseeländer hatte schon als Kind ein Faible für Spezialeffekte: Mit einer Super8-Kamera drehte er seinen Film "World War Two" und simulierte Maschinengewehr-Salven einfach dadurch, indem er kleine Löcher in das Filmmaterial stach, die hernach bei der Projektion wie Schüsse wirkten. Das Metier des Profi-Films enterte Jackson 1987 mit seinem Erstling "Bad Taste", ein Horrorfilm, dem noch viele folgen sollten. Zu seinen bekannteren Arbeiten vor der "Herr der Ringe"-Trilogie, für die er zehn Millionen Dollar kassierte, waren "Braindead" (1992), "Heavenly Creatures" (1994) und "The Frighteners" (1996). Nach eigenen Aussagen ist "King Kong" (1933) Jacksons größte Inspirationsquelle. Eines ist allen Jackson-Filmen gemein: Sie enden regelmäßig in einem Blutbad. Für den in einem Jahr folgenden dritten Teil der "Herr der Ringe"-Saga kann also Ähnliches erwartet werden. MG

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