Worm, der Zitierungskünstler

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Nein, wir regen uns gar nicht darüber auf, wie der Herr Herausgeber die emeritierte "Bischöfin" da vorführt: "Frau Magister, ich bitte Sie um Verständnis, dass ich in Ihr Privatleben eindringe..." Auch wenn sich das Interview - weil gedruckt - naturgemäß stumm darbietet, kann man das süßliche Säuseln, mit dem sich Alfred Worm da an Gertraud Knoll heranmacht, förmlich hören: "Es geht seit einiger Zeit das Gerücht, dass Sie und Ihr Mann getrennt leben..."

Wie gesagt, über den Bruch der Ehe im Hause Knoll, wie er letzten Donnerstag via News verbreitet wurde, wollen wir uns ganz und gar nicht auslassen. Eines hat uns im Worm'schen Artikel-samt-Interview-Elaborat aber doch stutzig gemacht: Vier Monate nach Knolls "Bischofswahl" anno 1994 habe - so Worm - die burgenländische Superintendentin nach den Bomben von Oberwart die Öffentlichkeit "mit einem historischen Zitat" geschockt: "Wer nicht für die Juden schreit, darf auch nicht für die Nazis singen!"

Wir, obgleich nicht "die Öffentlichkeit", sind ebenfalls geschockt - und zwar von Alfred Worms Zitierungskunst: Denn das "historische Zitat" hat sehr wohl einen Autor - Dietrich Bonhoeffer; Gertraud Knoll hat diesen seinerzeit natürlich auch genannt. Und außerdem lautete der Bonhoeffer-Ausspruch aus dem Jahr 1935 gegenüber seinen Studenten, die sich an der alten Kirchenmusik begeisterten: "Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen."

Ach, du journalistische Sorgfalt?! Wer wird denn da monieren, dass in einer weltbewegenden Story über evangelisches Ehe-Unglück ein Satz aus dem NS-Widerstand praktisch ins Gegenteil entstellt wurde?

P.S.: Im gleichen "News" ist auf der ersten redaktionellen Seite zu lesen, wie sehr Alfred Worm beim heurigen Befreiungs-Gedenken im KZ Mauthausen zu einer ganz besonders "würdigen Feier" beitragen wird...

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