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Disput im „Club 4"

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Seinen Ruf als seriöser Journalist riskiert Alfred Worm mit einem neuen provokanten Buch.

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Seinen Ruf als seriöser Journalist riskiert Alfred Worm mit einem neuen provokanten Buch.

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Mit voller Absicht und mit vollen Rohren sei Lsein neues Buch „Vom ,Menschensohn' zum Judenstern" gegen die Amtskirche gerichtet, betont der Journalist Alfred Worm immer wieder, als er am 27. Oktober mit Hubert Feichtlbauer, einem der führenden katholischen Publizisten des Landes, im „Club Stephansplatz 4" diskutiert. Feichtlbauer konzediert Worm, er-habe eine „beachtenswerte Sammelleistung" erbracht, spart aber auch nicht mit Kritik: Das Buch enthalte „Pauschalurteile, Widersprüche, Ablehnung jeglicher Evolution der Erkenntnisfähigkeit der menschlichen Natur, gewisse Batschläge, was Gott und Jesus hätten tun sollen, die einfach ein bissei spät kommen

eine gewisse Leichtigkeit, Seichtigkeit, mit der Themen angegangen werden". Konkret weist Feichtlbauer auf Sätze hin, in denen „den Päpsten" und „den Theologen aus Sicht Worms Negatives angelastet

wird. Worm, der Alfons Liguori „einen der kuriosesten Kirchenväter" nennt, wischt solche Einwände vom Tisch. Das sei alles falsch, er belege alles genau, liste haarklein auf, was er an diesem oder jenem Papst gut oder schlecht finde. Worm, der vorgibt, nicht nur viel, sondern „alles" zu seinem Thema genau gelesen zu haben, gibt sich gut informiert: Eine Enzyklika über das Fernsehen stehe bevor und P. Andreas Laun sei ein „künftiger Weihbischof" , der sich heuer bei einem TV-Auftritt mit Bischof Kurt Krenn „die Lorbeeren für höhere Weihen" geholt habe.

Immer wieder zitiert er den St. Pöltener Bischof als typischen Be-präsentanten der Kirche: „Was Krenn sagt, steht im Weltkatechismus, aber was dort drinnen steht, steht nicht in der Bibel." Worms Polemik zu Antijudais-mus, Kreuzzügen und Inquisition samt Hexenverfolgung, aber auch zu den neuen Dokumenten - Weltkatechismus und Moralenzyklika - löst weniger Überraschung aus, als sein Umgang mit der Bibel, aus der ihm die Bergpredigt als „politische Botschaft' des Christentums zusagt, während er so gut wie alles, was über den nistori-

sehen Jesus im Neuen Testament steht, als falsch hinstellt. Das Pfingstereignis sei eine „extrem antijudaistische Legende", Jesu Vertreibung der Händler aus dem Tempel habe man aus Antijudaismus im nachhinein in das Evangelium hineingedichtet. Feichtlbauer hält fest: „Du zitierst die Bibel dort, wo sie dir gefällt." Worm: „Da befinde ich mich in bester katholischer Tradition. Ich bediene mich der Methode, aus der Bibel herauszulesen, wovon ich glaube, daß es eine gute christliche Theologie ist."

Die Todesstrafe lehnt Worm wie die Abtreibung rigoros ab und wirft der Kirche hier Inkonsequenz vor. Ein Eingreifen der Amerikaner auf dem Balkan wäre für ihn ein unerlaubter Angriffskrieg, Hitler habe man aber „selbstverständlich" militärisch widerstehen dürfen. Als Feichtlbauer fragt, wer das jeweils bestimme, erntet Worms Antwort großes Gelächter: „Es gibt etwas, was in sich gut und was in sich schlecht ist", fällt er in die Diktion der jüngsten Enzyklika.

Fazit: Worm, der sich die Kirche als „Hort der Ruhe" wünscht, prophezeit in wenigen Jahrzehnten verödete Gotteshäuser, auch Feichtlbauer meint, die Amtsträger hätten keine Ahnung, was auf die Kirche zukomme. Katholische Journalisten hätten mit ihrer Kritik versucht, die Kirche glaubwürdig zu gestalten. Jetzt seien andere Autoren am Werk, die schonungslos vorgehen.

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