7135106-1997_43_18.jpg
Digital In Arbeit

Neugierige Grenzgängerin

Werbung
Werbung
Werbung

Je brüchiger, je weniger erklärbar ein Mensch ist, umso mehr reizt es Jovita Dermota, sich mit ihm zu befassen. Die aus Wien stammende, seit Jahrzehnten in München lebende Schauspielerin präsentiert am 27. Oktober traditionsgemäß zuerst in der Wiener „Gruppe 80” ihr neues -nun schon sechstes - Soloprogramm: „Suchbild Brahms”.

Der Versuch, die Entwicklung des großen Komponisten vom „romantischen Jüngling” zum vereinsamten Pessimisten zu zeichnen, hat auch Jovita Dermotas Brahms-Bild verändert: „Der nicht begehbare Baum wird größer” umschreibt sie das Phänomen, wonach jedes Vordringen in verbal nicht ausdrückbare Bereiche Grenzen und Grauzonen erfährt.

Jovita Dermota, die nach dem Reinhardt-Seminar Engagements in Salzburg, Zürich und München hatte und sich noch gerne an legendäre Inszenierungen erinnert (die österreichische Erstaufführung von Frischs „Andorra” unter Rudolf Kau-tek in Salzburg, die Uraufführung von „Der Friede” von Peter Hacks unter Jean-Pierre Ponnelle, Horvaths „G'schichten aus dem Wiener Wald” unter Otto Schenk in München), ging nach der Geburt ihrer beiden Kinder ihren eigenen künstlerischen Weg.

Immer der Avantgarde und dem Experimentellen zugeneigt - „Ich bin neugierig und probiere gerne etwas aus, Grenzgänge interessieren mich” - führte sie ihr Wunsch nach höherer Authentizität und Kreativität vom Ensembletheater weg zu Soloprogrammen, „Umkreisungen” großer Personen, „Chiffren”, sagt sie, nicht abgerundete Bilder. Mit Clara Schumann hat sie vor zwölf Jahren begonnen, nun geht es erstmals um ei -nen Mann: Gedichte von Ludwig Tieck, die dazugehörigen Brahms-Vertonungen des Zyklus „Die schöne Magelone” und andere Texte •-Brahms aus dem Blickwinkel von Frauen (darunter Clara Schumann).

Für solche Projekte muß Jovita Dermota ihr eigener Dramaturg und Begisseur sein und selbst Material recherchieren (was sie derzeit bereits über Bertolt Brecht tut). Gerade der introvertierte Brahms machte es allen forschenden Geistern schwer, da er viele ihn betreffende Schriften bewußt zerstörte: „Sie werden von mir wenig finden. Dafür sorgt ein wohlgefüllter Papierkorb und ein brennender Ofen.” Ein Mann also der Verschwiegenheit und der Verweigerung - für Jovita Dermota eine umso interessantere Herausforderung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung