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Am Rande der Woche

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Alexander Kordas „Lady Hamilton" ist gewiß ein großer Film. Seine Fabel trägt der weltgeschichtliche Augenblick, das strategische Wettrennen zwischen dem englischen Admiral Nelson und dem französischen General und Duce Buonaparte, dessen Entscheidung der vorläufige Sieg, aber auch Soldatentod des eršteren bei Trafalgar 1805 ist. Die Fabel ist der märchenhafte Aufstieg der Schmiedstochter Emma Harte (Amy Lyon) zur Lady Hamilton, erst Geliebten, dann Gattin des englischen Altertumsforschers und Botschafters Sir William Hamilton am Hofe des Königs von Neapel, schließlich Mätresse des Lordadmirals Nelson. Dies ist eine

Tatsache und kann nicht, wie man’s zuweilen liest, in ine Beschwichtigungslegende von Seelenfreundschaft zwischen Lady Hamilton und Nelson umgelogen werden: eine uneheliche Tochter aus dem ehebrecherischen Verhältnis schließt jede Verdunkelung aus.

Alexander Kordas Regie ist von gleich sicherer kühler Routine im virtuosen Kammerspiel wie im Monumentalstil. Die Sterbeszene Nelsons ist ein Höhepunkt der Filmästhetik, und der Seeschlacht von Trafalgar mit ihrer souverän gelenkten Massenbewegung und dem rücksichtslosen Aufwand an Pulver und Kanonenfutter können selbst die Wolkenschieber von Hollywood noch einiges abgucken. Einem Schauspielerpaar schließlich wie Laurence Olivier und seiner Gattin Vivien Leigh hat de. Film der ganzen Welt derzeit nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen. „Lady Hamilton“ erreicht damit mühelos den Rang, den ähnliche historische Filme, „Heinrich VIII.“ etwa oder „Königin Christine“, in der Literaturgeschichte des Films einnehmen.

Ebensowenig aber läßt sich von den absoluten Ästheten der Wurm im Apfel wegeskamotieren. Warum das Motiv des Ehebruches von Sophokles bis Shakespeare, von der Edda bis Tolstoi grundsätzlich anders zum Ausdruck kommt als im Film, ist längst kein Rätsel mehr. In diesem zweieinhalb Jahrtausende alten poetischen Widerschein des Kampfes zwischen Gut und Böse, um Schuld und Sühne hat es kaum eine Sekunde gegeben, da das natürliche Empfinden für die unverrückbaren Werte und Positionen dieser beiden Pole ernstlich gestört gewesen wäre: müßte die Welt dagegen sich nach der Ethik des Filmdramas drehen, bliebe sie in hundert Jahren stecken — sie gab bereits am Ende der ersten Hälfte des Filmsäkulums talentierte Anlagen dazu zum besten. Auch in dem Film „Lady Hamilton" ist die Ehebrecherin die schöne, schuldlose Sympathische, die verunehrte Gattin (Lady Nelson) dagegen die reizlose, witzlose Spaßverderberin. Und diese Lotterethik, diese Diwanmoral ist es, was einem solche Filme bis auf den Grund verleiden kann. So war es schon im wüstesten Kintopp vor 50 Jahren, und ganz genau so ist es bis heute geblieben, und eine künstlerische Spitzenleistung wie Kordas „Lady Hamilton" verhält sich in diesem Punkt zur ethischen Dramaturgie unserer Klassiker nicht anders als ein Seufzer auf der Praterorgel zu einem Präludium von Bach. Doch Cäsar ist gewiß ein ehrenwerter Mann — und „Lady Hamilton“ ein großer Film ...

Das ist ein zweiter englischer Film, „S O S vom Montblan c“, im Grunde nicht. Und doch ist er der wertvollere. Die spannungsträchtige Fabel von zehn Insassen einer in den Alpen abgestürzten Dakotamascbine, die bis zu ihrer Rettung einen abenteuerlichen Umweg über bittere, aber heilsame Erkenntnisse gehen müssen (einige von ihnen erreichen dieses Ziel nur angesichts des Todes), ist voll tiefer Einblicke in die menschliche Seele. Ein schöner, ernster Film, dem auf seine Weise in einigen Augenblicken gelingt, was der transzendente Film von vornherein anstrebt: der „sichtbare Mensch“.

Zwei weitere Filme, ein flotter Turffilm, „Sieg und Platz“, und ein sonderbarer, trickszenisch interessanter Urweltfilm, „Millionen Jahre zurück“, bleiben an der Oberfläche der Unterhaltung und technischen Spielerei: der Mensch selbst ist unsichtbar.

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