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Don Juan aus Graz in Wien

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Vielleicht sei der Verführer nie etwas anderes gewesen als eine Legende oder ein Wunschgebilde der Frauen, meinte Franz Blei. Das dürfte aber kaum stimmen, der Don-Juam-Typ, wie ihn die Dramatiker von einst darstellen, war doch wohl eine Realität, den ungleich erhöhten Widerständen von damals entsprach ein erhöhter Angriffsimpuls. Negieren wir den Typ des aggressiven Verführers, interpolieren wir eine heutige psychische Situation in die Fabel aus dem vierzehnten Jahrhundert.

Eben dies erfolgt in der Komödie „Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie“ von Max Frisch, die von den Grazer Vereinigten Bühnen im Burg-theater vorgeführt wurde. Es findet geradezu eine Umkehrung des Don-Juan-Motivs statt, wie der auf dieser Seite wiedergegebene Bericht über die Premiere in Graz feststellt. Don Juan ist hier allerdings eine Konstruktion, Max Frisch gibt vor, er sei ein Intellektueller von überstarker erotischer Ausstrahlung. Noch dazu macht er ihn zu einem besessenen Liebhaber völlig abstrakter Bereiche, der Geometrie. Dieser unvereinbare Gegensatz hat aber erhebliehe thea-termäßige Reize: Don Juan bedrängt nun nicht die Frauen, er wird von

ihnen bedrängt und stolpert sozusagen in sein Ungemach.

Kühl bis ans Herz hinan, verursacht er iünffachen Tod: Totschlag, Herzschlag, Selbstmorde durch Ertrinken, Erhängen, Erstechen. Aber dies bleibt abstrakt, sozusagen reine Geometrie, richtiger Stereometrie, wir sehen dauernd das Koordinationssystem dieser puri-fiziert rationalen Komödie mit den reihenweisen Toten. Daß Don Juan schließlich mit der steinreichen Witwe eines Herzogs, einer ehemaligen Dirne, blasiert-gelangweilt lebt und mit ihr ein Kind haben wird, paßt durchaus in diese spielerische Inversion hitzigster Leidenschaft.

Unter der Regie von Klaus Gmeiner ersteht eine durchschnittlich gute Aufführung. Spitzenleistungen fehlen. Louis Ries ist ein Don Juan von kühl mokantem Unbehagen ob weiblicher Belästigung. Maria Gabriela Kaiser, Else Petry wie Ernst Christian Schröder und Kurt Sterneck zeichnen passabel die sonstigen stärker hervortretenden Gestalten. Josef Brun stellt die Bühnenbilder reizvoll auf die Antithese naturalistischer und linear geometrischer Einzelheiten.

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